Hallo ihr Lieben! :)
Wer hätte gedacht, dass sich anlässlich der Vergabe des Literaturnobelpreises so viel Drama entfalten kann? Erst wird die Verleihung des Preises 2018 ausgesetzt, weil sich das Gremium der Schwedischen Akademie in einen komplizierten und aufsehenerregenden Skandal verstrickte, in dem es um Verletzungen der Schweigepflicht, Betrug, Steuerhinterziehung, Sexualstrafdelikte, die im Rahmen der #metoo-Bewegung öffentlich wurden und zahllose weitere schwere Vorwürfe ging. Ich erinnere mich, dass ich damals überlegte, einen Beitrag zu diesem Thema zu verfassen, entschied jedoch, dass ich keine Lust hatte, so tief in die Materie einzutauchen, wie es nötig gewesen wäre, weil mich die Vergabe normalerweise ohnehin lediglich am Rande interessiert. Schaue ich mir die Liste der vergangenen Preisträger_innen an, kenne ich davon nur einen Bruchteil.
Während ich also beschloss, dass mich der Skandal nicht wirklich tangierte, organisierte sich das Gremium neu. Einige Mitglieder traten zurück, darunter auch die Ständige Sekretärin Sara Danius, die sich sehr darum bemüht hatte, den Eklat transparent zu behandeln. Dieses Jahr sollte dann alles wieder seinen gewohnten Gang gehen. Am Donnerstag wurde bekannt gegeben, dass die Polin Olga Tokarczuk den Literaturnobelpreis nachträglich für 2018 erhält. Diese Auszeichnung ist nicht unumstritten, denn es gibt Stimmen, die die Meinung vertreten, dass es ein Zeichen des Respekts für die von den Sexualstraftaten des Skandals betroffenen Frauen gewesen wäre, komplett auf die Verleihung zu verzichten. Der Preisträger von 2019 ist der Österreicher Peter Handke, dessen Name mir sogar geläufig ist. Ich gratuliere beiden von Herzen. Am Samstag wurde dann die Nachricht veröffentlicht, dass Sara Danius, die so sehr dafür gekämpft hatte, die Integrität des Gremiums wiederherzustellen und dennoch ihren Hut nehmen musste, verstorben ist. Sie erlag einer Krebserkrankung im Alter von 57 Jahren. Mein Beileid für ihre Freunde und Familie.
Drama, Drama, Drama. Ich hoffe, dass sich die Schwedische Akademie bald von diesen herben Rückschlägen erholen und wieder ganz auf die Literatur konzentrieren kann. Trotzdem frage ich mich, ob die Vergabe des Literaturnobelpreises überhaupt noch zeitgemäß ist. Vielleicht schreibe ich doch noch einen Beitrag darüber. Was haltet ihr denn von der diesjährigen Verleihung? Habt ihr bereits Bücher von Olga Tokarczuk und/oder Peter Handke gelesen?
Nun wird es aber Zeit, mich den wirklich wichtigen Fragen der Literatur zu widmen: im Rahmen der Montagsfrage von Antonia von Lauter&Leise!
Welches Buch, das man nach allgemeiner Meinung gelesen haben sollte, hast du noch nicht gelesen? Warum nicht?
Ich finde, diese Frage, die übrigens von Aequitas et Veritas stammt, passt hervorragend zum Thema Nobelpreisträger_innen. Seien wir ehrlich, wer hat schon in das Werk aller bisher Ausgezeichneten hineingeschnuppert? Außer dem Gremium vermutlich nur eine Handvoll Leser_innen weltweit. Wie ich bereits in der Einleitung erwähnte, kenne ich den Großteil nicht einmal und ich habe auch kein Interesse daran, sie alle kennenzulernen. Meiner Ansicht nach ist das nicht schlimm. Denn was ist das überhaupt, die „allgemeine Meinung“? 2014 habe ich mich mit 5 verschiedenen literarischen Bestenlisten auseinandergesetzt, die das Time Magazine, die ZEIT, das ZDF, die BBC und Le Monde zusammenstellten und die ihnen zufolge die Bücher enthalten, die man unbedingt gelesen haben sollte. Es gab Überschneidungen, es gab jedoch auch einige Unterschiede. Das heißt, nicht einmal die Komitees dieser journalistischen Instanzen waren sich einig. Laut Wikipedia bezeichnet der Begriff „Weltliteratur“ Werke, „die über nationale und regionale Grenzen hinweg große Verbreitung gefunden haben und die gleichzeitig als für die Weltbevölkerung bedeutsam erachtet werden“. Geht es vielleicht noch ein bisschen schwammiger? Richtet man sich nach dieser Definition, könnten darunter auch die „Hunger Games“ von Suzanne Collins zählen, aber diese moderne Young Adult – Trilogie würde wohl niemand ernsthaft als Weltliteratur bezeichnen. Deshalb halte ich die Kategorie Weltliteratur für unverbindlich. Es ist nur ein Wort, mit dem kein festes Konzept verbunden ist. Ich finde es sogar schwierig, für mich selbst eine Sammlung von Eigenschaften zu formulieren, die den Begriff beschreibt. Auf jeden Fall alt. Darüber hinaus wird es vertrackt, weil der literarische Wert eines Buches schwer in Adjektive zu fassen ist. Revolutionär? Mutig? Feinsinnig? Nein, das passt alles nicht so richtig.
Darum pfeife ich mittlerweile auf die sogenannte „allgemeine Meinung“ und lege selbst fest, welche Bücher auf meiner persönlichen Lebensleseliste stehen. Ich setze eigene Prioritäten, die meinem Geschmack entsprechen. Bei mir finden sich zum Beispiel viele Klassiker der Fantasy, denn es fasziniert mich, zu den Anfängen des Genres zurückzugehen und aus dieser Erfahrung Schlüsse zu ziehen, inwiefern es sich verändert hat. Natürlich gibt es trotzdem Überschneidungen mit der „allgemeinen Meinung“. „Moby-Dick“, das ich dieses Jahr endlich, endlich, endlich gelesen habe (Ja, ich bin immer noch stolz!) zählt wohl nach jeder Definition zur Weltliteratur.
Die heutige Frage könnte ich mit einer ellenlangen Liste beantworten. Es existieren viel mehr Bücher, die man „gelesen haben sollte“ und die ich noch nicht gelesen habe, als Bücher, hinter die ich bereits ein Häkchen setzen konnte. Meist handelt es sich ja um Klassiker und für Klassiker muss ich in der Stimmung sein, sonst hat die Lektüre keinen Sinn. Ich schaffe pro Jahr nur eine sehr begrenzte Anzahl. Demzufolge habe ich entschieden, euch heute die beiden Spitzenreiter meiner persönlichen Lebensleseliste zu nennen; die beiden Werke, die ich vor meinem Tod meiner Ansicht nach unbedingt gelesen haben muss, um beruhigt sterben zu können.
Ganz oben auf meiner Liste steht aktuell „Ulysses“ von James Joyce. Es ist nachgerückt, lange Zeit stand „Moby-Dick“ an erster Stelle. Meine ursprüngliche Entscheidung, dieses Schwergewicht lesen zu wollen, ist darauf zurückzuführen, dass das gesamte Buch an einem einzigen Tag spielt: dem 16. Juni 1904. Der 16. Juni ist mein Geburtstag, also erachte ich es als eine Frage der Ehre, selbst zu erleben, was dem Protagonisten Leopold Bloom an diesem widerfährt. Dummerweise ist das Buch allerdings auch eine monumentale Herausforderung. Ich habe schon mehrfach angefangen und musste einsehen, dass ich nicht bereit bin. Der Schreibstil ist alles andere als eingängig und da das Buch trotz des überschaubaren Zeitraums um die 1.000 Seiten umfasst, könnt ihr euch sicher denken, wie detailliert es ist. Im Moment schreckt mich das noch, aber irgendwann werde ich auch diesen Wälzer besiegen.
An Platz Nummer 2 steht ein Buch, das ich als Lokalpatriotin einfach nicht auslassen kann: „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin. Berlin ist meine Heimat, hier schlägt mein Herz und hier möchte ich eines Tages sterben. Ich liebe meine Stadt und wenn ein Autor schon ein Werk geschrieben hat, das sie so prominent behandelt und das dann auch noch zur Weltliteratur erhoben wurde, muss ich es lesen, da führt kein Weg dran vorbei. Leider ist es ähnlich schwere Kost wie „Ulysses“. Ich habe auch hier bereits reingelesen und war schockiert. Erinnere ich mich richtig, enthält es sehr abrupte Szenensprünge, die es kompliziert gestalten, Döblin zu folgen. Mal schauen, wann ich mich traue, mich diesem Kampf zu stellen. Zumindest ist es nicht so dick wie „Ulysses“. Aber was heißt das schon bei einem Klassiker.
Hinter diesen beiden Büchern tummeln sich zahllose weitere, die ungeduldig mit den Hufen scharren und gelesen werden wollen. „Krieg und Frieden“, „Das Verlorene Paradies“, „Great Expectations“, „Dune“, „Buddenbrooks“ und und und. Doch das Schöne ist ja, ihre Ungeduld existiert nur in meinem Kopf. In Wahrheit kümmert es diese Werke nicht die Bohne, wie lange sie ungelesen bei mir herumstehen. Bücher haben kein Verfallsdatum. Ihre Zeit wird kommen. Ich fürchte allerdings, meine Lebensleseliste selbst wird niemals wirklich schrumpfen, denn es kommen ständig neue Werke dazu, die ich lesen möchte, bevor ich sterbe. Das Dilemma eines Bücherwurms: die Auswahl ist größer als die zur Verfügung stehende Lebenszeit.
Welche Bücher, die zur Weltliteratur zählen, schiebt ihr vor euch her?
Ich freue mich wie immer sehr auf eure Beiträge und Kommentare und wünsche euch allen einen motivierten Start in die neue Woche!
Alles Liebe,
Elli ❤️
Hallo Elli,
ich finde diese absoluten Leselisten auch schwierig, weil man das Gefühl kriegt als hätten diese den Anspruch a) vollständig und b) verbindlich zu sein. Wie du schon schreibst: Das sind sie nicht. Sie geben gute Hinweise und wer wäre ich, wenn ich diese Hinweise nicht wohlwollend zur Kenntnis nehme? Schließlich doppeln sich viele Titel oder zumindest Autoren, was ja schon zeigt, dass es in manchen Hinsichten durchaus Konsenz gibt. Hier kann man sich gut und gerne bedienen für die weihnachtliche Wunschliste, aber mehr auch nicht. So sehe ich das zumindest. Bei mir befindet sich ebenfalls das ein oder andere Schwergewicht auf der Liste. Mein Beitrag dazu hier: https://vanessas-literaturblog.de/2019/10/14/montagsfrage-14-oktober-2019/#comment-210
Liebe Grüße
Vanessa
Die Buddenbrooks habe ich vor Urzeiten gelesen, Krieg und Frieden- oh Wunder – auch… Aber bei Ulysses bin ich ganz bei Dir! Gehört auch auf meine Liste, ebenso wie Berlin Alexanderplatz… 😉 Mut zur Lücke!
Wie lange hast du für „Krieg und Frieden“ gebraucht? :D
Das weiß ich nicht mehr – zu lange her! Aber zu der Zeit hatte ich ein Faible für Russen, habe damals viel regelrecht verschlungen. Daher ist Krieg und Frieden nicht negativ besetzt. 😁😉
Hallo und danke für deinen Kommentar, der ja nun tatsächlich der erste ist :) Ich habe natürlich mit Interesse verfolgt, was du hier schreibst, denn lange war ich in diesem Metier der angeblichen Hochliteratur zugange, bis ich nur noch ekel empfand. Nicht für ein gutes Buch, versteht sich, sondern für den Literaturbetrieb als solches und ganzes.
Ich bin irgendwann einfach trotzig geworden, weil ich mich wirklich frage, warum mir irgendwelche Menschen (und noch dazu meist alte, weiße Männer) vorschreiben dürfen sollen, was ich lesen soll.
Mir geht es oft so, dass ich Bücher, von denen alle meinen, man müsse sie unbedingt lesen, absichtlich nicht lese. Weltliteratur allerdings ausgenommen. Die hat bewiesen, dass sie zeitlos ist.
Ich hab auch noch etliche Brocken Literatur auf der Liste des Ungelesenen… Manchmal macht mir der Blick ins Regal auf diese Buchrücken sogar ein schlechtes Gewissen. Da ich mein Leseverhalten aber nicht zu zwingen brauche, weil das eh nichts bringt, lasse ich einfach weiterhin meinen Bauch die Entscheidung über das jeweils nächste Buch treffen. Und wenn ich sterbe und nicht alle Klassiker gelesen habe – den Büchern selbst ist das völlig egal. Warum also nicht mir auch?!
Liebe Elli,
Ich sehe das genau wie du. Ich will mich weder stressen noch von Kommitees aufzwingen lassen, was als „wichtiger Klassiker“ durchgeht. Und zum Glück haben Bücher ja kein Verfallsdatum (sonst würde es in meinem Regal schon ziemlich schlimm stinken 😅) und wir haben unsere gesamte Lebensdauer Zeit, interessante Bücher zu entdecken und herauszufinden, ob Weltbestseller und Klassiker zurecht in aller Munde und zu Must-Reads geworden sind.
Liebe Grüße
Sophia
Huhu,
Klassiker sind leider gar nicht mein Ding. Deswegen habe ich das auch eher allgemein als Bücherfrage gesehen und nicht unbedingt auf Klassiker gezogen. Panem hab ich übrigens tatsächlich gelesen. Auch wenn ich mir ganz vieles anders gewünscht hätte.
LG Corly
Ich glaube – und ich mag mich irren – aber ich habe noch nie ein Buch von einem Literaturnobelpreisträger gelesen. Und die meisten kenne ich auch gar nicht. Peter Handkes Namen habe ich aber schon mal gehört, meine ich.
Was Weltliteratur betrifft, möchte ich gerne noch „Lolita“ von Nabakov lesen. Vielleicht auch noch „Vom Winde verweht“ von Mitchell. Aber so richtig sprechen mich Klassiker einfach nicht an. Es gibt aber natürlich Ausnahmen.
Ich kann verstehen, dass du die beiden Bücher mit dem persönlichen Bezug gerne lesen möchtest. Der richtige Augenblick wird kommen und ich hoffe, dass dich die Bücher begeistern können – auch wenn sie lange und kompliziert geschrieben sind.
Ich wünsche dir eine schöne Woche.
Liebste Grüße
Emma
Huhu Emma,
tja, so unterschiedlich kann das sein. Gerade „Vom Winde verweht“ habe ich bewusst von meiner Leseliste gestrichen, weil ich gelesen habe, dass dort verklärte Südstaatenromantik thematisiert wird, ohne die Problematik der Sklaverei anzusprechen. Darüber würde ich mich wohl nur aufregen.
Ansonsten gibt es allerdings durchaus Literaturnobelpreisträger_innen, die sehr lesenwert und auch gar nicht so schwer verdaulich sind, zum Beispiel Toni Morrison. :)
LG
Elli
Hallöchen,
also.. eigentlich steht schon seit über einem Jahr „Vom Winde verweht“ in meinem Regal rum und wartet darauf gelesen zu werden.
Aber da leide ich auch an Aufschieberitis und nehme immer eines der umliegenden Bücher. *lach*
Moby Dick habe ich aber tatsächlich vor Jahren gelesen.
[…] wortmagieblog […]