Gemeinsam Lesen 2

Hallo ihr Lieben! :)

Jeden Dienstag lesen wir gemeinsam! Diese tolle Aktion wird wöchentlich von den Schlunzen-Büchern veranstaltet; die Fragen dieser Woche findet ihr durch einen Klick aufs Logo!

1. Welches Buch liest du gerade und auf welcher Seite bist du?

Ich habe gestern Abend „Was fehlt, wenn ich verschwunden bin“ von Lilly Lindner ausgelesen. Das Buch hat 400 Seiten.

Was fehlt wenn ich verschwunden bin

April bedeutet das Ende des Winters. Lebensfreudige Hoffnung, Seelenwärme. Für Phoebe ist April jedoch viel mehr als nur ein Monat: Es ist der Name von ihrer großen Schwester, dem Zentrum ihrer kleinen Welt. Doch nun ist April fort. Sie ist weggesperrt in eine Klinik und soll dort gesund werden, denn sie isst nicht mehr.

Warum? Wann wird sie endlich wieder nach Hause kommen? Phoebe hat tausend Fragen. Aber ihre Eltern schweigen hilflos. Und so hat Phoebe keine Möglichkeit, zu begreifen, was ihrer großen Schwester fehlt. Doch sie versteht, wie unendlich traurig April ist. Und um dem Schweigen eine Stimme zu geben, schreibt Phoebe ihrer Schwester Briefe. Wort für Wort in die Stille hinein und entgegen der Leere, die April hinterlassen hat.

2. Wie lautet der erste Satz auf deiner aktuellen Seite?

Da ich das Buch ausgelesen habe, müsst ihr mit dem ersten Satz auf der letzten Seite Vorlieb nehmen:

„Und so haben wir uns am nächsten Tag einfach schweigend in unsere Arme geschlossen.“

3. Was willst du unbedingt zu deinem aktuellen Buch loswerden? (Gedanken dazu, Gefühle, ein Zitat, was immer du willst!)

Teil 1 am 17.12. am Vormittag

Soll ich euch mal was verraten? Ich hatte beim Lesen von „Was fehlt, wenn ich verschwunden bin“ bereits innerhalb der ersten 50 Seiten mehrmals einen fetten Kloß im Hals. Da die meisten von euch dieses Buch vermutlich bereits gelesen haben, stelle ich mir vor, wie viele von euch jetzt wissend nicken und lächeln. Es wirklich berührend, Phoebes Briefe an ihre große Schwester April zu lesen. Sie vermisst sie schrecklich und begreift eigentlich gar nicht, wieso April nicht da sein kann. Dabei ist es richtig, dass April eingewiesen wurde, denn sie leidet an Magersucht. Es enttäuscht mich, dass ihre Eltern Phoebe nicht erklären, was das bedeutet. Umso erstaunlicher finde ich es, dass Phoebe sich diese Krankheit auf gewisse Weise sogar korrekt vorstellt. Ich möchte mal eben von Seite 50/51 zitieren:

„Vielleicht ist Magersucht so, als hätte man eine große Wunde im Bauch, die zuerst unsichtbar ist und dann auf einmal anfängt, schrecklich zu bluten – so sehr, dass man ganz schwach wird. Und dann infiziert sich die Wunde, und die Bakterien breiten sich überall im Körper aus, bis sie schließlich in den Kopf kriechen und sich dort in den Gedanken festbeißen.
Ja. Irgendwann ist man so krank, dass man nicht mehr klar denken kann. Das ist dann der Moment, in dem man in eine Klinik muss. Da werden die Bakterien bekämpft, bis sie alle tot sind. Anschließend wird die Wunde gereinigt, und das brennt bestimmt ganz furchtbar. Danach wird die Wunde genäht. Und in den folgenden Wochen muss man ganz stillhalten und vorsichtig mit seinem Körper umgehen, damit nicht alles wieder aufreißt und von vorne anfängt.
Ist das so, April?
Wenn es alles so stimmt, dann verheilt die Wunde nach einiger Zeit, und der Schmerz klingt ab. Dann werden die Fäden gezogen.
Vielleicht bleibt eine kleine Narbe zurück.
Oder eine große.
Je nachdem.
Wie groß die Wunde war.“

Ist das nicht überraschend zutreffend? Ich weiß zwar, dass Phoebe es nicht im übertragenen Sinne meint, sondern sich tatsächlich eine Bauchwunde vorstellt, aber sie liegt nicht völlig daneben. Ich würde ihr Bild nur an einer Stelle korrigieren: die Wunde befindet sich nicht im Bauch, sondern im Herzen.
Ich bin schon sehr gespannt darauf, die Situation aus Aprils Perspektive kennenzulernen. Ich möchte wissen, warum sie so unglücklich ist. Irgendetwas stimmt mit ihrer Selbstwahrnehmung nicht, sonst hätte sie nicht angefangen, immer weniger zu essen und sich herunter zu hungern. Sich zu bestrafen. Das Bild, das sie von sich selbst hat, wird sich voraussichtlich stark von Phoebes Bild von ihr unterscheiden.

Prinzipiell gefällt mir „Was fehlt, wenn ich verschwunden bin“ sehr gut. Ab und zu überlege ich aber doch, ob ein Mädchen in Phoebes Alter tatsächlich zu den Gedanken fähig ist, die Phoebe in ihren Briefen formuliert. Was glaubt ihr, wie alt ist Phoebe? Ich tippe auf 10. Ich bezweifle nicht, dass sie durchaus Verständnis für Aprils Zustand und die Situation zu Hause hat, die daraus resultiert; ich bin nur nicht sicher, ob eine 10-Jährige dieses Verständnis auch so poetisch ausdrücken könnte, wie Phoebe es tut. Ich habe keine kleinen Geschwister und habe mit Kindern nur sehr wenig zu tun, deswegen fällt es mir schwer, einzuschätzen, ob Phoebe sich diesbezüglich altersgerecht verhält. Aber vielleicht könnt ihr mir ja helfen? :)
Ich freue mich übrigens, dass ich mit diesem Buch weitere zwei Challenge-Aufgaben abhaken kann. Lilly Lindner ist nämlich Berlinerin und somit eine regionale Autorin. Außerdem ist „Was fehlt, wenn ich verschwunden bin“ im Fischer-Verlag erschienen.

Teil 2 am 07.12. um 22:43 Uhr

Ich habe das Buch eben ausgelesen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es tut weh. [Pause]
Ich habe gar nicht geplant, heute den ganzen Abend zu lesen, ich wollte eigentlich noch eine Rezension schreiben. Aber ich konnte nicht aufhören. Das Buch hat mich unendlich traurig gemacht, aber es hat auch eine Zugkraft, gegen die ich mich einfach nicht wehren konnte. Alles, was ich im ersten Teil meiner Antwort geschrieben habe, hat noch immer Gültigkeit. Nur verstehe ich jetzt, woher Phoebes Wortgewalt kommt. Und ich weiß, dass sie nicht 10 Jahre alt ist, sondern 9.
Aprils Seite der Geschichte hat mir das Herz gebrochen. Wieder und wieder. Unter anderem auch, weil ich einen Teil ihres Schmerzes verstehe. Weil ich erlebt habe, wie es ist, wenn körperlicher Schmerz leichter zu ertragen ist als der Schmerz in Kopf und Herz. Und ich bin so wütend auf ihre Eltern. Sie verdienen keines ihrer beiden wundervollen, einzigartigen, besonderen Kinder.
Normalerweise schreibe ich bei Gemeinsam Lesen nie über das Buch, das ich gerade ausgelesen habe, sondern immer über das Buch, das ich gerade beginne oder eben lese. Aber dieses Mal… „Was fehlt, wenn ich verschwunden bin“ ging mir unter die Haut, hat mich tief in meiner Seele berührt. Ich denke nicht, dass ich heute noch ein neues Buch beginnen kann. Ich muss mindestens eine Nacht darüber schlafen. Morgen ist ein neuer Tag. Vielleicht kann ich meine Trauer für April und Phoebe dann leichter ertragen.

4. Welcher Gegenspieler/Bösewicht ist dir im Besonderen in Erinnerung geblieben – positiv oder negativ -, aus welchem Buch kommt er und warum?

Endlich mal eine vierte Frage, für die ich überhaupt nicht überlegen muss. Ich habe eine unangefochtene Nummer Eins unter den Bösewichten. An diesen Mann ist noch nie jemand herangekommen und ich glaube mittlerweile fast nicht mehr, dass das möglich ist. Niemand ist so bösartig, vielschichtig, fies, arrogant, sadistisch, intrigant, manipulativ, egozentrisch, nachtragend, kleinlich, unerträglich, hasserfüllt und badet dermaßen im Selbstmitleid. Er ist ein Meisterwerk, die beeindruckendste negative Persönlichkeit, die mir je begegnet ist.
Sand dan Glokta aus Joe Abercrombies „First Law“ – Universum. Der Krüppel. Der Inquisitor. Gehasst und gefürchtet.
Ich liebe jede einzelne seiner negativen Eigenschaften, weil ihn diese einfach unfassbar unterhaltsam machen. Sein Herz ist ein schwarzes Ding, das ebenso verkrüppelt ist wie sein Körper. Und doch ist er zu Freundlichkeit, Gnade und Mitleid fähig. Abercrombie hat sich bei ihm selbst übertroffen, da es wohl kaum eine Figur in seinem Universum gibt, die ähnlich facettenreich ist. Glokta ist kein eindimensionaler Bösewicht, der eine weiße Katze auf dem Arm mit sich herumträgt und ein verrücktes Lachen ausstößt, wann immer er an seine Pläne zur Weltherrschaft denkt. Glokta ist das, was aus einem Menschen wird, wenn das Leben ihm übel mitspielt. Ich denke, genau das liebe ich so an ihm: er ist wie wir. Jede_r von uns könnte so werden wie er. Eigentlich ist er ja nicht mal ein richtiger Bösewicht, denn in Abercrombies Büchern in Gut und Böse zu kategorisieren, ist gar nicht so einfach. Bei ihm ist niemand einfach nur böse. Nicht mal Sand dan Glokta. Er mag widerlich sein, aber böse? Nein, eigentlich nicht. Egal. Trotzdem ist und bleibt er mein liebster Gegenspieler. ;)

Was lest ihr im Moment? Wer ist euer liebster literarischer Bösewicht?

Ich freue mich wie immer sehr auf eure Meinungen und Kommentare und wünsche euch allen einen wundervollen Dienstag! Außerdem möchte ich die Chance nutzen, euch noch einmal an meine Challenge im nächsten Jahr zu erinnern:

Wortmagies makabre High Fantasy Challenge

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Alles Liebe,
Elli

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