Hallo ihr Lieben! :)
Heute führen wir gemeinsam die Let’s talk about… – Reihe Gender in der Urban Fantasy weiter. Es hat ein wenig länger gedauert als geplant, weil das aktuelle Thema doch um einiges komplexer und umfangreicher ist, als ich angenommen hatte. Vor zwei Wochen haben wir entspannt und relativ locker begonnen, indem wir uns fragten, was an Vampiren in der Young Adult Urban Fantasy eigentlich so attraktiv ist (HIER). Das Thema dieser Woche ist definitiv schwieriger und für einige sicher harter Tobak: wir beschäftigen uns mit Vergewaltigungsmythen in der Urban Fantasy bzw. Paranormal Romance. Dafür möchte ich euch das Paper „Rape Myths‘ Twilight and Women’s Paranormal Revenge in Romantic and Urban Fantasy Fiction“ (2014) von Kristina Deffenbacher vorstellen.
Doch bevor wir starten, muss ich sicherstellen, dass ihr die Basis ihrer Arbeit kennt und versteht.
Einerseits geht es um die Gender Rollen, die mit einer Vergewaltigung einhergehen. Laut Lynn Higgins und Brenda Silver sind die Thematik der Vergewaltigung und die Möglichkeit, dass eine Person vergewaltigt wird, zentral für die Konstruktion von Gender Identität. Demzufolge kann man davon sprechen, dass Vergewaltiger tendenziell eher durch das männliche Gender charakterisiert sind (selbst wenn es keine Männer sind), während Opfer eher das weibliche Gender aufweisen.
Andererseits ist es sehr wichtig, dass ihr begreift, was Vergewaltigungsmythen überhaupt sind. Ich kannte diesen Ausdruck vor meiner Recherche zu diesem Thema auch nicht, deswegen habe ich einfach Wikipedia bemüht und dort nach einer Definition gesucht. Der entsprechende Artikel definiert den Vergewaltigungsmythos als „Bagatellisierung sexualisierter Gewalt“, das heißt, er bezeichnet die verdrehte Vorstellung, Frauen wollten von Männern sexuell überwältigt werden, weshalb eine Vergewaltigung nach dieser Logik weder eine Gewalttat noch strafbar wäre. Er entschuldigt Täter und beschuldigt Opfer, daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von „Täter-Opfer-Umkehr“ oder „Victim blaming“. Diese Mythen sind deshalb so gefährlich, weil sexuelle Gewalt von Männern gegen Frauen geleugnet, verharmlost und gerechtfertigt wird. Typische Sätze sind zum Beispiel „Sie wollte es“ und „Er konnte einfach nicht anders“. Letzterer zielt darauf ab, Männern unkontrollierbare Triebhaftigkeit zu unterstellen, die sie von der Verantwortung für ihre Taten frei spricht. (Wikipedia Artikel)
In den 70er und 80er Jahren waren romantische Romane populär, in denen die Protagonistin von einem Mann gewaltvoll genommen wird, ganz nach dem Prinzip „Er vergewaltigt sie, bis sie ihn liebt“. Heutzutage ist Vergewaltigung gesellschaftlich nicht akzeptiert, weswegen diese Romane (zu Recht) in der Versenkung verschwanden. Trotzdem erlebt die Erzählung der „erzwungenen“ oder „aufgezwungenen Verführung“ eine Wiederbelebung im literarischen Genre der Urban Fantasy bzw. der Paranormal Romance. Lustigerweise gibt es einige moderne UF-Heldinnen, die sich deutlich von den Heldinnen der Vergangenheit distanzieren und eine klare Linie zwischen lustvoller sexueller Unterwerfung und der Unterwerfung des Willen ziehen. Im zweiten Mercy Thompson – Band „Blood Bound“ von Patricia Briggs findet sich beispielsweise folgendes Zitat:
„I thought I was immune to the stupid dominance/submission thing, immune to the Alpha’s power. I’d just had a very visceral lesson that I was not. I didn’t like it. Not at all. If Jesse hadn’t come in, I would have surrendered myself to Adam, like some heroine from a 1970s series romance, the kind my foster mother used to read all the time. Ick.“
(„Blood Bound“ 93, Deffenbacher 924)
Eine ähnliche Stelle gibt es in „Tempest Rising“ von Nicole Peeler, Band eins der Jane True – Serie, in der sich Jane über den Buchgeschmack ihrer Erzfeindin Linda auslässt:
„[Linda] liked a very particular kind of plot: the sort where the pirate kidnaps some virgin damsel, rapes her into loving him, and then dispatches lots of seamen while she polishes his cutlass. Or where the Highland clan leader kidnaps some virginal English Rose, rapes her into loving him, and then kills entire armies of Sassenachs while she stuffs his haggis […] I hated to get Freudian on Linda, but her reading patterns suggested some interesting insights into why she was such a complete bitch.“
(„Tempest Rising“ 12, Deffenbacher 925)
Was wir hier erleben, ist, dass den LeserInnen in diesem Jane-True- bzw. Mercy-Thompson-Roman eine klare Grenze zwischen der Urban Fantasy und den Vergewaltigungsromanzen der 70er und 80er Jahre vermittelt wird. Diese Differenzierung gibt LeserInnen ein gutes Gefühl, selbst wenn ihnen die Unterwerfungsdynamik im Sexualleben der Heldinnen gefällt. Selbstverständlich sind die Grenzen niemals so klar, einfach und sauber.
Vergewaltigungsmythen sind in der Urban Fantasy aufgrund der Idee möglich, dass Supras wie Vampire, Werwölfe, etc. eine vorbestimmte Lebensgefährtin haben, die sich gegen die Anziehungskraft des übernatürlichen Mannes nicht wehren kann. Im Gegensatz zu traditionellen Vergewaltigungsromanzen ist es dementsprechend nicht der Held, der verantwortlich ist, sondern das übernatürliche Element. Dabei ist es genau dieses Fehlen der Verantwortung des Helden (wenn er sich der Heldin sexuell aufzwingt aufgrund des Einflusses einer übernatürlichen Macht außerhalb seiner Kontrolle), das fundamentale Vergewaltigungsmythen verschleiert und verstärkt. Die Urban Fantasy bietet einen Rahmen für versteckte Vergewaltigungen, denn hier kann man sie leugnen. Der Held ist natülrich nicht selbst verantwortlich; er ist getrieben vom instinktiven Erkennen seiner vorbestimmten Verbindung mit der Heldin. Sogar Stephenie Meyer, Autorin der Twilight-Saga, ist nicht bereit, anzuerkennen, dass Bellas Entscheidungen durchaus von Edwards manipulativem Verhalten beeinflusst sein könnten:
„Twilight saga author Stephenie Meyer, responding to feminist concerns about the dangers of her heroine’s ‚choices‘ (such as Bella’s acceptance of Edward despite his stalking, kidnapping and manipulative control of her), asserts that »this is not even realistic fiction, it is a fantasy with vampires and werewolves, so no one could ever make her exact choices«; Meyer insists that »Bella is constrained by fantastic circumstances« – not Edward (Meyer).“
(Deffenbacher 925)
Na? Ergeht es euch wie mir, als ich das Paper zum ersten Mal las? Wollt ihr Kristina Deffenbacher nicht glauben?
Das ist überhaupt nicht schlimm. Ich war anfangs auch sehr skeptisch. Schauen wir uns doch mal eine Szene aus „A Hunger Like No Other“ (Immortals After Dark #2) von Kresley Cole an. Die Heldin dieses Romans ist Emmaline Troy, vorbestimmte Seelenverwandte des Helden und Werwolfs Lachlain MacRieve. Lachlain schreckt nicht einmal davor zurück, Emmaline zu jagen, nachdem er sie entdeckte:
„A vicious growl sounded. Her eyes widened, but she didn’t turn back, just sprinted across the field. She felt claws sink into her ankle a second before she was dragged to the muddy ground and thrown onto her back. A hand covered her mouth, though she’d been trained not to scream. »Never run from one such as me.« Her attacker didn’t sound human. »You will no‘ get away. And we like it.« […] »Don’t do this! Please…« When her last word ended with a whimper, he seemed to come out of a trance, his brows drawing together as his eyes met hers, but he didn’t release her hands. He flicked his claw down her blouse and sliced it and the flimsy bra beneath open, then slowly brushed the halves past her breasts. She struggled, but it was useless against his strength.“
(„A Hunger Like No Other“ 9-11, Deffenbacher 925-926)
Trotz ihres offensichtlichen Widerwillens und ihrer Angst kann Emma letztendlich selbstverständlich nicht widerstehen und das, obwohl Lachlain sie im weiteren Verlauf entführt, wiederholt bedroht und in jeder möglichen Form verletzt und vergewaltigt, von direkter Penetration einmal abgesehen. Auf der Website der Autorin (und auf Goodreads) wird diese Beziehung übrigens als langsame, sündhafte Verführung bezeichnet.
Viele LeserInnen dieses Romans scheinen sich trotz der gewalttätigen Elemente völlig auf das übernatürliche Band zwischen den beiden zu konzentrieren, was die Frage nach Emmalines Zustimmung offenbar überflüssig macht und Lachlain von seiner Verantwortung frei spricht. Das übernatürliche Element dient als Schutz vor dem Vorwurf der Vergewaltigung und gleichzeitig als Medium für die alten Geschichten, besonders für „Sie wollte es, egal, was sie sagt“ und „Er konnte einfach nicht anders“. Daraus folgt, dass in manchen modernen UF-Romanen das Paranormale die Vergewaltigung als Teil der männlichen Biologie des Helden bagatellisiert. Er wird von der „Natur“ seiner Spezies getrieben, die von ihm verlangt, seine instinktiv erkannte Seelenpartnerin sexuell für sich zu beanspruchen. Nach dieser Logik ist es das einzigartige, übernatürliche Band zwischen Held und Heldin, das dafür sorgt, dass es keine Vergewaltigung ist, selbst wenn sie sich anfangs wehrt oder sträubt. Es ist biologisch motivierter Sex, der von übernatürlicher Genetik bestimmt wird.
Auch begegnet uns in diesen Romanen erneut das Konzept des hypermaskulinen Helden, der (in diesen Fällen) von seinen raubtierhaften sexuellen Instinkten angetrieben wird.
Zusätzlich wird der Held oft als Beschützer oder „Versorger“ dargestellt, im Kontrast zur traditionellen Vorstellung des Vergewaltigers als Fremden, der in dunklen Straßen lauert. Das nächste Beispiel. an dem Deffenbacher diese Theorie illustriert, wird wohl vor allem denjenigen unter euch missfallen, die begeisterte Fans der Black Dagger Brotherhood – Reihe von J.R. Ward sind. Im ersten Band „Dark Lover“ befindet sich die Heldin Beth unwissend mitten in der Verwandlung zur Vampirin, wodurch sie unkontrollierbar erregt und sexuell empfänglich ist. Der hypermaskuline Held ist der Vampir Wrath (was auf Deutsch übrigens „Zorn“ bedeutet), der Beth beschützen soll. Er bricht in Beth‘ Haus ein und nutzt ihren Zustand wissentlich aus, bzw. die „rohe animalische Chemie“ zwischen ihnen, obwohl sie fürchterliche Angst vor ihm hat. Wrath ist aber natürlich kein Vergewaltiger, jedenfalls nicht nach Darstellung der Autorin, denn sie kontrastiert ihn mit zwei menschlichen „richtigen“ Vergewaltigern, die Beth kurz vor ihrem Aufeinandertreffen mit Wrath in einer dunklen Gasse abwehrt. Gegen Wrath wehrt sie sich nicht.
Sogar Edward Cullen brauchte diese Abgrenzung zu „wirklichen“ Vergewaltigern, denen Bella – wie könnte es anders sein – in einer dunklen Gasse begegnet, damit sein nächtliches Eindringen in Bellas Haus (um sie beim Schlafen zu beobachten – fand ich damals schon creepy) weniger bedrohlich und weniger wie Stalking wirkt.
Was moderne Helden der Urban Fantasy letztendlich am meisten von „echten“ Vergewaltigern unterscheidet, ist die rückwirkende Zustimmung der Heldin. Der Verlauf der Geschichte sorgt dafür, dass die Heldin die vorbestimmte Verbindung zu ihrem Helden erkennt und ihre Zustimmung dadurch im Nachhinein gibt. Das macht diese Zustimmung natürlich nicht echt (wenn man so will), es ist eher ein Eingeständnis, dass der Held schon vor ihr erkannte, was sie wirklich will und braucht. Diese Herangehensweise ist der Grund, warum Romane dieser Art das Thema der Vergewaltigung nie wirklich los werden und wiederbelebten Vergewaltigungsmythen einen Rahmen bieten.
Glücklicherweise gibt es allerdings auch andere Urban Fantasy – Romane, in denen eine Vergewaltigung nicht dazu dient, die Hypermaskulinität des Helden zu etablieren und die übernatürliche Verbindung zwischen Held und Heldin darzustellen. Stattdessen betonen diese Geschichten die Spannungen und die Themen von Macht, Stärke und Zustimmung in den romantischen Beziehungen der Heldinnen. Auf Bedrohung, Gewalt und Vergewaltigung reagieren Heldinnen wie Jane True oder Miranda Grey (Shadow World – Reihe von Dianne Sylvan) mit einer Annäherung an ihre eigene Fähigkeit und/oder Bereitschaft zur Gewalt. Die Veränderung in diesen Heldinnen und in ihren Beziehungen bieten eine Sicht auf Gender Identität, die nicht von Vergewaltigung oder der Möglichkeit zur Vergewaltigung definiert ist. In der UF nutzen AutorInnen das Übernatürliche, um soziale Möglichkeiten abzubilden, die noch nicht ganz von dieser Welt sind.
Jane und Miranda sind anfangs nicht gerade Kriegerinnen; sie kennen ihre Stärke nicht und glauben nicht an ihren Wert. Sie wissen zwar von ihren „abnormalen“ Fähigkeiten, können diese aber weder verstehen noch kontrollieren sie sie – sie werden eher VON ihnen kontrolliert.
Janes Mutter war ein Selkie, deshalb hat auch Jane Wasserfähigkeiten. Miranda hingegen kann die Gefühle anderer wahrnehmen und sie mit ihrer Musik manipulieren. Beide Fähigkeiten sind traditionell mit Weiblichkeit assoziiert, sowohl die Affinität zu Wasser als auch die endlose Empathie ohne Selbstgefühl. Als sie der Gewalt einer Vergewaltigung ausgesetzt sind, entdecken beide Frauen das Ausmaß ihrer Fähigkeiten und lernen, sie als Waffe einzusetzen. Dabei ist ihre Transformation allerdings kein einmaliges Ereignis, sondern ein Prozess, im Gegensatz zu beispielsweise Rosalie aus der Twilight-Saga, die direkt nach einer Gruppenvergewaltigung von einem Vampir verwandelt wird, ihre Stärke erkennt und ihre Vergewaltiger dann spektakulär ermordet. Weder Jane noch Miranda werden von einem anderen in ihre neue Form gebracht; stattdessen begreifen sie ihr übernatürliches Potential, während sie sich selbst zu Kriegerinnen entwickeln.
Beide Heldinnen sind Hybride, nicht nur aufgrund ihres menschlichen und übernatürlichen Erbes, sondern auch aufgrund ihrer kulturell erworbenen femininen Identität einerseits und ihrer neu entdeckten Fähigkeit und Bereitschaft zur Gewalt andererseits. Die Unvereinbarkeit dieser beiden Hälften ihres Seins ist die wahre Herausforderung und zeigt, welche psychologische Arbeit sie bewältigen müssen, um diese Hälften in Einklang zu bringen. Das geht so weit, dass Jane True manchmal sogar von zwei verschiedenen Janes spricht (sie ist nicht die erste und einzige UF-Heldin, die das tut). Das Ausbalancieren ihrer beiden Seiten gelingt ihnen nur, weil sie ihre Fähigkeit und Bereitschaft zur Gewalt begrüßen und dafür Teile ihrer kulturell erworbenen Weiblichkeit aufgeben, ohne ihre Menschlichkeit einzubüßen. Sie müssen die Aspekte ihres Daseins ablegen, die darauf bestehen, dass sie nicht in der Lage sind zu kämpfen und sich Gewalt unterwerfen müssen: ihre Passivität und ihre Selbstzweifel. Dementsprechend ist der innere Konflikt der UF-Heldinnen auch nicht als Kampf zwischen Menschlichem und Paranormalem anzusehen, sondern als Kampf zwischen verinnerlichten Hemmungen und natürlichen, angeborenen Fähigkeiten.
Obwohl die inneren Schranken einer Urban Fantasy – Heldin mit kulturell erworbener Femininität assoziiert werden, ist das Freisetzen ihrer Macht und Stärke trotzdem kein Zeichen von Männlichkeit. Das heißt, die Heldin macht sich nicht Männlichkeit zu Nutze, sondern entwickelt eine ganz und gar weibliche Form von Gewalt und Rache. Deffenbacher zitiert an dieser Stelle Judith Halberstam, die überzeugt ist, dass diese Darstellung von Frauen, die Gewalt gegen Männer ausüben, nicht einfach eine männliche Strategie der Aggression nutzt; stattdessen transformiert die feminine Gewalt die symbolische Funktion des Femininen innerhalb der Popkultur und fordert gleichzeitig das vorherrschende Bestehen auf die Verbindung von Macht und Recht mit dem Maskulinen heraus.
Urban Fantasy – AutorInnen nutzen das Paranormale, um die Aspekte der Natur ihrer Heldinnen zu repräsentieren, die mit ihrer femininen Identität in der menschlichen Gesellschaft nicht kompatibel sind. Darüber hinaus erschaffen sie eine alternative Welt, in der diese Natur auch ausgelebt werden kann. Da die Welt dieser Erzählungen unserer Welt bis auf wenige, offensichtliche Punkte ähnelt, suggerieren die wiederkehrenden Geschichten von Kriegerinnen, die mit Vergewaltigung konfrontiert werden und sie überleben, eine Realität, in der starke Frauen Vergewaltigern mutig entgegen treten und sie erfolgreich bekämpfen, was gleichzeitig auch den Kampf und Sieg über die Vergewaltigungskultur (Rape Culture, s. Wikipedia-Artikel) selbst impliziert. Dass AutorInnen die UF nutzen, um diese Möglichkeit darzustellen, betont die Strukturen und Ansichten der modernen Gesellschaft, die ihre Realisierung verhindern.
Sogar Charlaine Harris‘ warmherzige, „kultivierte“ Protagonistin Sookie Stackhouse hat eine gewalttätige Seite, die sie akzeptieren muss, um sich selbst und andere zu schützen; die sie aber in der menschlichen Welt und Gesellschaft geheim halten und verstecken muss, weil sie dort keine Akzeptanz erwarten kann. Ähnlich ergeht es ihrer Kollegin Kennedy, die wegen Totschlags eines Mannes im Gefängnis saß und deswegen von den meisten Menschen gefürchtet und gemieden wird. Sookie hingegen freundet sich mit Kennedy mehr oder weniger problemlos an.
In einem anderen Roman aus Harris‘ Feder, „A Secret Rage“, nutzt sie das Übernatürliche, um die sehr realen Grenzen einer zur Gewalt fähigen weiblichen Identität auszuloten. Die Heldin Nickie Callahan und ihre Freundinnen Mimi und Barbara entscheiden sich zu kämpfen, als sie auf den Mann treffen, der Nickie vergewaltigt hat und nun auch Mimi und eine weitere Frau angreift. Tatsächlich hätten sie ihn wohl getötet, wäre Nickies Freund Cully nicht dazugekommen. Er überzeugt die Frauen, den Vergewaltiger gehen zu lassen. Sie nehmen ihm sein Auftauchen und seine Einmischung übel, ebenso wie seine Ablehnung ihrer Tat. Trotzdem äußern sie dieses Gefühl gegenüber den Männern in ihren Leben nicht, die ihrerseits vor allem von Nickie und ihrer weiblichen Gewalt abgestoßen und geschockt sind. Da sie den Vergewaltiger während des Kampfes biss, wird sie von ihnen als „Vampirin“ bezeichnet. Wir sehen, die übernatürlichen Figuren der Gewalt stehen für die Aspekte von Frauen, die die sonst unterstützenden Männer in ihren Leben nicht akzeptieren können. Wie oft haben wir schon gehört, dass eine Frau als „Furie“ bezeichnet wurde, weil sie wütend und gewalttätig reagierte?
„Mimi’s boyfriend will »certainly never see Mimi in the same light again« (195), and the novel closes with Cully unable »to live with seeing [Nickie’s] mouth all bloody« (196), unable to kiss her on the mouth (198).“
(Deffenbacher 933)
Am Ende von „A Secret Rage“ rückt die Unfähigkeit der realen Welt in den Vordergrund, mit einer weiblichen Identität umzugehen, die die Fähigkeit und Bereitschaft zur Gewalt einschließt und den Gender-Erwartungen heterosexueller Romantik widerspricht.
Obwohl auch UF-Heldinnen oft mit dem Konflikt zwischen ihrem Unwillen, sich dem Willen anderer (speziell Männer) zu unterwerfen und ihrer Lust an sexueller Unterwerfung kämpfen, widerstehen hybride Heldinnen letztendlich den Gender-Erwartungen, um ihre wahre Natur auszuleben. Oft finden sie sogar wahre Liebe in Männern, die ihre Stärke und Macht zu schätzen wissen. Diese Geschichten von starken Kriegerinnen und Männern, die ihre Stärke respektieren, helfen uns, uns eine Gesellschaft vorzustellen, die so noch nicht existiert. Eine Welt, in der Frauen ihre Stärken kennen, an ihren Wert glauben und keine oberflächlichen, Angst-getriebenen Annahmen über ihre Fähigkeiten und Sicherheit verinnerlichen.
Zusammengefasst bescheinigt Kristina Deffenbacher der Urban Fantasy also zwei sehr gegensätzliche Erzählstränge, die zum Teil sogar im gleichen Buch auftauchen:
Einerseits werden wohl bekannte Vergewaltigungsmythen wiederbelebt, basierend auf der Annahme, dass zwischen dem übernatürlichen Held und der Heldin eine vorbestimmte Seelenverwandtschaft besteht, die jegliches aggressives sexuelles Verhalten seinerseits ohne ihre Zustimmung entschuldigt und rechtfertigt.
Andererseits erwacht eine paranormale Heldin durch den Gewaltakt einer Vergewaltigung, die sie ihr Potential erkennen lässt. Auf diese Weise entwickelt sie sich zu einer hybriden Kriegerin, die aggressiv und gewalttätig weibliche Rache an ihren Vergewaltigern und der Vergewaltigungskultur selbst nehmen kann.
Puh. Einmal kurz durchatmen, was? Ich sagte ja, harter Tobak. So skeptisch und ungläubig ich bei der ersten Lektüre von Kristina Deffenbachers Paper war, bin ich mittlerweile doch der Meinung, dass sie Recht hat, obwohl ich kaum eines der Bücher, die sie erwähnt, gelesen habe. Es hat mich schockiert, wie oft Gewalt gegen Frauen in der Urban Fantasy thematisiert wird, auch in den Romanen, die ich bereits gelesen habe, ohne dass ich es bewusst bemerkt oder mir deren Bedeutung vor Augen geführt hätte. Da stellt man sich die Frage: Ist das wirklich nötig? Braucht die Urban Fantasy Gewalt gegen Frauen, um erfolgreich zu sein? Ich kann diese Frage leider nicht beantworten.
Aber ich kann euch zeigen, welche Szenen aus welchen Büchern mir zu diesem Thema eingefallen sind und welche Richtung meine eigenen Gedanken einschlugen.
Zuerst möchte ich über Merit sprechen, die Heldin der Chicagoland Vampires – Reihe von Chloe Neill. Die Serie beginnt im Grunde ansatzlos mit Merits Verwandlung in eine Vampirin. Sie wird angegriffen, als sie eines Nachts über den dunklen Campus ihrer Universität läuft (sie ist Doktorandin) und gegen ihren Willen gebissen. Sie wäre gestorben, wäre nicht Ethan Sullivan rechtzeitig erschienen und hätte sie zur Vampirin gemacht. Danach wird sie von ihm zur Hüterin des Hauses Cadogan ernannt und entwickelt sich in einem rasanten Tempo zur furchtlosen Kriegerin.
Erkennt ihr das Muster? Es läuft fast genauso ab, wie Deffenbacher es beschrieben hat. Der einzige Unterschied zu Jane True und Miranda Grey: Merit wird nicht vergewaltigt. Oder doch?
Vielleicht habt ihr schon einmal von der Theorie gehört, dass der Biss eines Vampirs durchaus als sexuelle Handlung angesehen werden kann. Die Symbolik ist sogar recht offensichtlich: der meist männliche Vampir dringt in sein zumeist weibliches Opfer ein, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Oftmals geht damit konkrete Erotik einher; das Opfer empfindet ebenso Lust wie der Vampir, weil der Vampir mit seinen speziellen manipulativen Fähigkeiten dafür sorgen kann.
In der Chicagoland Vampires – Serie wird der Vampirbiss deutlich in einen sexuellen Kontext gesetzt, weil Merit und Ethan sich später als Liebespaar beim Sex gegenseitig beißen. Sie integrieren es in ihr Liebesspiel und erleben dabei eine sehr intime, besondere Nähe. Dementsprechend bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Angriff auf Merit am Anfang der Serie definitiv als Vergewaltigung bezeichnet werden kann. Ihr wird gegen ihren Willen und ohne ihre Zustimmung eine sexuelle Handlung aufgezwungen. Sie wird gewaltvoll genommen.
Tatsächlich glaube ich, dass Merit sogar zwei Vergewaltigungen erlebt: zuerst der Biss des Fremden, der ihr im Dunkeln auflauert und sie zum Sterben zurücklässt und danach die Verwandlung durch Ethan Sullivan, um ihr das Leben zu retten. Die (meiner Meinung nach) zweite Vergewaltigung ist subtiler, weniger deutlich, doch ich glaube in ihr genau das zu erkennen, was Deffenbacher meint, wenn sie von „versteckten“ Vergewaltigungen spricht. Ethan wirkt als Retter, als derjenige, der Merits Tod verhindert, besonders, weil er klar von dem ersten Angreifer abgehoben wird, der der traditionellen Vorstellung eines Vergewaltigers entspricht (ein Fremder, der im Dunkeln lauert). Nichtsdestotrotz verwandelt er sie ebenfalls gegen ihren Willen und ohne ihre Zustimmung. Merit wird nicht gefragt, ob sie es vorzöge, zu sterben, statt Vampirin zu werden. Im weiteren Verlauf des Buches prägt die Entscheidung, die Ethan für Merit getroffen hat, ihre gesamte weitere Beziehung, denn Merit ist anfangs fuchsteufelswild deswegen. Ich kann mich nicht erinnern, dass das Wort Vergewaltigung jemals gefallen wäre, doch ich bin sicher, dass Chloe Neill andere Ausdrücke fand, um ihren LeserInnen zu vermitteln, dass sich Merit vergewaltigt fühlte. Selbstverständlich akzeptiert Merit Ethan später als ihren Retter und äußert eine rückwirkende Zustimmung zu der Verwandlung/Vergewaltigung, denn sie findet in ihm die große Liebe ihres (nunmehr unsterblichen) Lebens. Ethan selbst wartet wohl schon seit Jahrhunderten auf eine Frau wie Merit. Ihre Beziehung scheint vorherbestimmt. Ich denke, es läuft auf genau das hinaus, was Kristina Deffenbacher als Wiederbelebung der Vergewaltigungsmythen ansieht.
Ich denke, der schwierigste Fall ist die Anita Blake – Reihe von Laurell K. Hamilton, mein All-Time-Favorite. Anita ist definitiv eine hybride Heldin, die, entgegen der Theorie von Kristina Deffenbacher, bereits erwacht war, bevor die LeserInnen sie kennenlernen. Natürlich entwickelt sie sich im Verlauf der Serie weiter und erlebt sehr viel Gewalt, aber sie war schon dazu fähig, sich äußerst aggressiv zu verhalten und konnte auch ihre Fähigkeiten als Nekromantin kontrollieren und verstehen, bevor die LeserInnen in ihre Geschichte einsteigen. Was Anita in Bezug auf Deffenbachers Ausführungen als einen sehr komplizierten und komplexen Charakter kennzeichnet, ist, dass sie beides ist: Vergewaltigungsopfer und Vergewaltigerin.
Auch ihr werden aggressive sexuelle Handlungen aufgezwungen. Beispielsweise trägt sie die Zeichen des Vampirs Jean-Claude nicht freiwillig, daran erinnere ich mich. Dummerweise ist die Reihe bereits jetzt so lang und die Lektüre für mich so lange her, dass ich kaum noch weiß, WAS genau in Anitas und Jean-Claudes Beziehung nun alles freiwillig war und was nicht. Das Problem ist hier auch, dass Jean-Claude ein außergewöhnlich manipulativer Charakter ist, der vor wenig zurückschreckt, um seine Ziele zu erreichen. Fakt ist, ich bin überzeugt, dass Anita schon sehr viel gegen ihren Willen angetan wurde. Sicher war nicht alles sexueller Natur, doch durch die insgesamt sehr erotische Entwicklung der Serie gehe ich davon aus, dass sich solche Situationen in den letzten Bänden gehäuft haben.
Interessanter ist in Anitas Fall sowieso, dass sie parallel auch als Vergewaltigerin agiert und hier ganz genau die gleichen Mechanismen greifen, die Deffenbacher anderen modernen UF-Romanen mit einem männlichen, übernatürlichen Helden bescheinigt. Ob sie die Männer kennt oder nicht, ob sie sie liebt (oder zumindest mag) oder nicht – Anita zwingt sich in den neueren Bänden gefühlt so ziemlich jedem männlichen übernatürlichen Wesen auf, das ihr begegnet. Die Männer werden nie gefragt, ob sie Sex mit ihr möchten. Sie nimmt sich einfach was sie braucht und will, notfalls mit Gewalt. Selbstverständlich ist auch Anita nicht selbst dafür verantwortlich; in ihrem sehr speziellen Fall ist es die Ardeur, der unstillbare Hunger nach Lust und Leidenschaft, die sie dazu treibt, sich so zu verhalten. Die Ardeur ist eine Macht, die sie von Jean-Claude durch die Zeichen bekam, weshalb Anita große Probleme hat, sie zu akzeptieren und sie dementsprechend auch (noch) überhaupt nicht kontrollieren kann. Sie ist zu einer Art Succubus mutiert. Ich erinnere mich überdeutlich an eine Szene, in der die Ardeur Anita unvorbereitet packt und sie den unterwürfigen Werleoparden Nathaniel in ihrem Büro überwältigt. Oder eine Szene, in der sie den Vampir Damian zurück in sein untotes Leben holt, indem sie mit ihm mitten auf dem Boden ihres Hauses vor den Augen aller Anwesenden schläft (wobei „mit ihm schlafen“ nicht der richtige Ausdruck ist für das, was Anita mit ihm anstellt). Damian ist bereits viel zu geschwächt, um seine Zustimmung zu geben.
Laurell K. Hamilton vermittelt ihren LeserInnen niemals, dass die Männer nicht mit Anita schlafen wollten, das sollte gesagt werden. Vielleicht kann man deswegen nicht tatsächlich über Vergewaltigungen seitens Anita sprechen, aber für mich ist das fast schon hinfällig, weil die permanente Begeisterung, die Anitas Sexualpartner zu empfinden scheinen, ebenfalls ein gefährliches Gender Klischee ist. Noch nie hat ein Mann zu ihr gesagt „Ich will nicht mit dir schlafen“ oder „Ich kenne dich gar nicht, deswegen will ich nicht mit dir in die Kiste“ oder „Du bist nicht mein Typ“. Hamilton stellt Männer stereotyp dar: sie können und wollen immer Sex haben, besonders mit Anita, die auf das männliche Geschlecht zwar unwiderstehlich wirkt, in ihrem Inneren aber eigentlich furchtbar konservativ ist.
Damit noch nicht genug, wird es auch sehr interessant, wenn wir uns Anitas Liebesbeziehungen widmen, speziell ihrer Beziehung mit dem Werwolf Richard. Laut Kristina Deffenbacher ist es für die hybride Heldin oft sehr schwer, einen Mann zu finden, der ihre Stärke akzeptiert und zu schätzen weiß. Nicht selten gipfelt das darin, dass sie sich einen übernatürlichen Partner aussucht. Richard ist zwar ein Werwolf, hält aber sehr stur an seiner Menschlichkeit fest, als Anita ihn kennenlernt. Ihre Beziehung geht einige Zeit gut, doch als es zu Rivalitäten in Richards Rudel kommt, drängt sie ihn, seine vorbestimmte Rolle als Alpha endlich anzuerkennen. Nach diversem Heck-Meck erklärt sich Richard notgedrungen dazu bereit. Als der Kampf mit dem aktuellen Alpha-Wolf unvermeidlich ist, erlebt Anita diesen sozusagen live und in Farbe mit, durch eine Verbindung, die Jean-Claude auslöste. Sie sieht, was Richard sieht, fühlt, was Richard fühlt. Der Kampf endet für Richard erfolgreich, allerdings gibt es da einen Brauch unter Werwölfen, der Anita im wahrsten Sinne des Wortes nicht schmeckt: der alte Alpha-Wolf wird vom Rudel gefressen. Sie erlebt auch dieses Ereignis mit und ist so angeekelt und abgestoßen, dass sie sofort in die Arme von Jean-Claude flüchtet. Die Beziehung zu Richard ist in diesem Moment mehr oder weniger beendet.
Später kommt die Möglichkeit einer zweiten Chance für Anita und Richard als Paar noch einmal auf den Tisch. Dieses Mal ist es jedoch nicht Anita, die diese Option ausschließt, sondern Richard. Er kommt nicht damit zurecht, dass Anita kalt und skrupellos töten kann. Versteht ihr, in Anitas und Richards Beziehung ging es von Anfang an um die Frage, wer von ihnen beiden das schrecklichere Monster ist.
Während ich hier sitze und meine Gedanken zu Anita Blake in Bezug auf die Gender-Frage niederschreibe, bekomme ich den Eindruck, dass diese Serie fast einen eigenen Artikel verdient. Anitas außergewöhnliche Rolle als Vergewaltigungsopfer und Vergewaltigerin könnte daran liegen, dass sie laut einem Paper von Sara Södergren keine wahre weibliche Heldin ist. Sie ist, um es grob auszudrücken, ein Held mit Brüsten, weil sie sich auf eine maskuline Helden-Reise begibt. Wir behandeln dieses Thema im nächsten Beitrag und vielleicht bekommt Anita tatsächlich noch einen eigenen Artikel, das überlege ich mir noch. ;)
Dieser Beitrag ist zwar bereits jetzt sehr lang, doch trotzdem möchte ich euch noch zwei Beispiele nennen, die mir durch den Kopf geistern und keine Ruhe lassen. Habt noch ein wenig Sitzfleisch, bald ist es geschafft. :D
Die nächste Heldin, die mir einfiel, ist Jane Yellowrock aus der gleichnamigen Serie von Faith Hunter. Aus dieser Reihe habe ich bisher zwei Bände gelesen, erinnere mich aber nur an den zweiten Teil, weil die Lektüre des ersten einfach zu lange her ist. Doch auch in „Fluch des Blutes“ (zur Rezension geht es HIER lang) gibt es eine Szene, die mir unnötig aggressiv und sexuell erscheint. In dieser sitzt Jane mit George Dumas, Diener des Vampirs Leo Pellissier, in einer Limousine auf dem Weg zu einer Vampirparty, um Nachforschungen zu Janes aktuellem Fall anzustellen. Natürlich ist Jane entsprechend heraus geputzt. George möchte Jane mit einem Taschentuch abreiben, auf dem Tropfen des Blutes seines Meisters sind, um sie mit dessen Duft zu markieren, was ihr in einem Haus voller Vampire ein Mindestmaß an Schutz böte. Jane lehnt ab, weil es suggerieren würde, dass sie Leos Geschöpf ist und ist darüber hinaus überzeugt, sich selbst ausreichend schützen zu können. George setzt sich darauf hin über ihren ausgesprochenen Willen hinweg, wirft sich auf sie und ringt sie nieder, um sie mit dem Taschentuch abreiben zu können. Daraus entwickelt sich eine entschieden erotische Szene, die von der Autorin wohl als Ausdruck der vorher bereits bestehenden sexuellen Spannung zwischen Jane und George gedacht ist. Was sie allerdings vergaß, ist, dass Jane sich selbst verboten hatte, mit George näher anzubändeln, eben weil er für Leo arbeitet. Hätte er ihr das Taschentuch nicht aufzwängen wollen, wäre es vermutlich niemals zu dieser Situation gekommen. Natürlich ist es maximal eine „Beinahe“-Vergewaltigung und vielleicht bin ich auch zu streng, aber die Situation ist nun mal eindeutig sexuell und wäre nicht passiert, hätte George Janes Wünsche und ihren Willen respektiert. Urteilt selbst.
Der letzte Fall ist sehr kompliziert; ich weiß bis jetzt immer noch nicht, wie ich ihn einordnen soll. Der Punkt, der eine Beurteilung so schwierig macht ist, dass der Protagonist ein Mann ist. Genauer gesagt: Atticus O’Sullivan im zweiten Band der Iron Druid Chronicles von Kevin Hearne, „Hexed“.
Atticus hat einen Fan in der göttlichen Welt. Die Morrigan steht so sehr auf ihn, dass sie ihn eines Tages zu Hause besucht und mit ihm ein Schäferstündchen verbringt. Sex ist für die Morrigan keine kuschelige, liebevolle Angelegenheit; eher ist es Krieg. Atticus weiß das und hat dementsprechend keine Lust darauf. Er beugt sich jedoch ihrem Willen, weil er auch weiß, dass eine Weigerung noch viel schlimmer wäre. Danach sieht er aus, als hätte er mit einem besonders aggressiven und schweren Waschbären gerungen. Blaue Flecken, blutige Striemen. Spaß war das nicht.
Eigentlich kann man Kristina Deffenbachers Theorie auf diese Szene nicht anwenden, weil wir es mit einem männlichen Protagonisten zu tun haben. Demzufolge sind die Gender Beziehungen im Buch sowieso völlig anders. Aber… es ist eine Vergewaltigung, oder nicht? Vergleichbar mit der Frau, die sich ihrem Mann notgedrungen hingibt, weil sie weiß, dass er sie sonst halb tot prügelt. Das Rechtssytem beginnt ja gerade erst zu begreifen, dass fehlende Gegenwehr nicht zwangsläufig bedeutet, dass es sich um einvernehmlichen Sex handelt. Atticus sagt deutlich, dass er sich nur darauf einlässt, weil die Konsequenzen noch schmerzhafter und möglicherweise tödlich wären.
Vielleicht könnt ihr mir ja helfen, diese Szene einzuordnen. Ich weiß wirklich nicht, was ich damit anfangen soll.
Ich bin Feministin und habe Spaß an Romanen wie der Anita Blake – Reihe, obwohl dort Gewalt gegen Frauen auf (für mich) erschreckende Weise genutzt wird. Ich glaube nicht, dass ich diese Bücher nicht lesen darf, weil sie meiner Vorstellung von ausgewogenen Gender Rollen widersprechen. Aber ich denke durchaus, dass es wichtig ist, dass ich nun weiß, was ich vor Augen habe, lasse ich mich auf so eine Geschichte ein. Für mich geht es beim Feminismus nicht darum, irgendjemanden daran zu hindern, einen Roman genau so zu schreiben, wie er oder sie ihn für richtig hält. Das ist auch nicht die Absicht dieses Artikels. Es geht mir darum, zu begreifen, welche Mechanismen in diesen Büchern zum Tragen kommen und inwieweit die Darstellung einer fiktiven Welt die Realität mit all ihren Verhältnissen, Erwartungen, Vorurteilen aber auch Möglichkeiten abbildet. Es ist stets das Vorrecht der Kunst, die Wirklichkeit zu portraitieren und ihr gegebenenfalls den Spiegel vorzuhalten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich AutorInnen wie Stephenie Meyer, Laurell K. Hamilton oder Chloe Neill beim Schreiben dachten „Ich konstruiere diese Szene so und so, weil ich damit genau diese Gender Relation ausdrücken kann“. Doch gerade das macht es ja so interessant. Ich schätze, in den seltensten Fällen machen sich UF-AutorInnen darüber Gedanken, welche sexuelle und/oder romantische Gender Dynamik sie entwickeln. AutorInnen greifen auf das zurück, was sie kennen oder was sie sich wünschen. Wie sie selbst gern wären oder in welchem Licht sie Frauen und Männer sehen möchten. Ist es nicht spannend, dass sie in einer eindeutig fiktiven Welt sehr reale Umstände darstellen, obwohl sie das gar nicht müssten? Niemand verbietet ihnen, die Gender Rollen zum Beispiel einmal komplett umzudrehen, eine vollständig matriarchalische Gesellschaft zu konstruieren und Männer als verständnisvoll, liebevoll, unterstützend und vor allem nicht als aggressiv zu beschreiben. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem Werwolf-Gen, das sich ausschließlich auf Frauen vererbt? Aber sie tun es nicht. Stattdessen vermitteln sie das, was ihnen selbst und ihren LeserInnen bekannt ist: eine Welt, in der Gewalt gegen Frauen zum Alltag dazu gehört. Das gibt mir doch arg zu denken, weil es eine bestimmte sozio-kulturelle Prägung impliziert, die zeigt, dass unsere Gesellschaft lange nicht so weit vorangekommen ist, wie ich es manchmal glauben möchte. Es ist nicht allein die Schuld der AutorInnen, dass sie Szenen schreiben, in denen Frauen brutal vergewaltigt, geschlagen und getötet werden. Es ist unser aller Schuld. Wir formen die Gesellschaft in der wir leben möchten. Es liegt in unser aller Hand, etwas zu verändern.
So. Wow. Geschafft. Ich bitte um Applaus. :D Nein, Spaß beiseite, jetzt seid ihr an der Reihe. Ich weiß, ich verlange viel von euch, wenn ich euch jetzt auch noch auffordere, euch zu dem Thema zu äußern. Aber mich haben Kristina Deffenbachers Ausführungen wirklich sehr aufgewühlt (daher der pathetische Abschluss) und ich wüsste einfach gern, ob ihr ähnlich empfindet.
Was haltet ihr von Kristina Deffenbachers Theorie?
Fallen euch Szenen aus der Urban Fantasy ein, die nach einem der Schemata ablaufen, die sie beschrieben hat? Seid ihr vielleicht der Meinung, das ist alles bloß großer Quatsch? Könntet ihr euch einen Urban Fantasy – Roman vorstellen, in dem gar keine Männer auftauchen?
Jeder Gedanke ist es Wert, dass ihr ihn hier niederschreibt. Es gibt wie immer keine richtigen oder falschen Antworten und Meinungen; Let’s talk about… ist ausdrücklich als Austausch gedacht. Ich freue mich sehr darauf und bin bereit, mich von euch inspirieren zu lassen. Erweitert meinen Horizont! :)
Auch das Paper von Kristina Deffenbacher kann ich euch als PDF anbieten, falls es jemand lesen möchte. Meldet euch bei mir, wenn Interesse besteht.
Im nächsten Artikel wird es um die Reise des Helden bzw. der Heldin gehen und um die Frage, ob wir es in der Urban Fantasy tatsächlich mit richtigen Heldinnen zu tun haben oder ob tough heroines wie Anita Blake, Rachel Morgan und Kitty Norville nicht doch eher Helden mit Brüsten sind. Und jetzt:
Let’s talk about… Vergewaltigungsmythen in der Urban Fantasy!
Alles Liebe,
Elli
Bildquellen:
1. „Tempest Rising“ von Nicole Peeler
2. „A Hunger Like No Other“ von Kresley Cole
3. „Queen of Shadows“ von Dianne Sylvan
4. „Frisch gebissen“ von Chloe Neill
5. Anita Blake
6.„Hexed“ von Kevin Hearne
Hallo!
Dein Blogbeitrag hat mir sehr gefallen – ich beschäftige mich selbst mit Themen wie Gender(-konstruktionen), Vergewaltigungsmythen und Rape Culture, weshalb ich Kristina Deffenbachers Theorien leider wenig überraschend und voll zustimmungswürdig finde. :/ Ich finde es super, dass du das Thema in deinem Blog aufgreifst, vielleicht lädt es ja einige Leser*innen dazu ein, sich darüber Gedanken zu machen, woher eigentlich die ganzen stereotypen Situation kommen, in die man in Romanen über Romanen stolpert …
Eine PDF-Version des Papers würde ich gerne sehen, falls möglich! :)
Liebe Grüße, Rosa
P.S.: Ich habe eben in deiner „Über mich“ geschaut, und: Oscar Wilde war auch mein erster Lieblingsautor! (Inzwischen habe ich zu viele, um bei dieser Frage nicht in Panik zu verfallen …)
Hallo Elli,
puh! Was für ein Artikel. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Deffenbachers Theorie zur Gänze verstanden habe…
Jedenfalls habe ich noch nie einen UF-Roman unter diesem Aspekt betrachtet, dabei trifft ihre Theorie auf sämtlichen Romantsy-Autorinnen zu, die ich kenne. Sei es jetzt Lara Adrian, Alexandra Ivy oder Nalini Singh. Immer gibt es den übermännlichen, wilden Helden, der seine angedachte/vorherbestimmte Partnerin findet und sie mehr oder minder zu einer Verbindung oder Sex überredet. Das habe ich aber nie als Vergewaltigung oder eine Art von Vergewaltigung empfunden. Nach meinem Empfinden haben sich die Damen erst etwas geziert, aber heimlich auch ein starkes Verlangen verspürt und dann dem (ja okay extrem) massiven, dominanten Werben der Männer nachgegeben. Reflektiere ich die Lektüre jetzt unter Beachtung von Deffenbachers Theorie neu, kann man das schon so sehen, dass diese übernatürliche Vorhersehung die Damen zum Einlenken gebracht hat und nicht unbedingt ihr freier Wille. Für mich ist das aber keine Vergewaltigung, hier kommt bei mir eigentlich die Frage: Haben die Menschen einen freien Willen oder formt dieser sich nach ihrem Schicksal?
Oh je, ein wirklich schweres Thema. Ich lese zwischendurch gerne Romantasy-Romane. Der Grund dafür ist für mich auch ziemlich einfach: Ich bezeichne mich selbst als starke Person. Und so wenig ich in meinem realen Leben dominiert oder einer Vorhersehung folgen möchte, so schön finde ich es aber auch ab und zu in ein Universum abzutauchen, in dem die Männer aggressiv um die Frauen werben und auch die Begegnung/Liebe vorherbestimmt ist.
Fazit: Ich finde es gut, dass Deffenbacher sich mit dem Thema auseinander gesetzt hat und darauf aufmerksam macht, betrachte das Thema (in Büchern) aber nicht als sehr ernst. Die meisten UF oder Romantasy Romane dieser Richtung fallen für mich schon in die Kategorie „sexuelle Fantasie“ (sowohl der Autorin/des Autors, als auch der Fans) und sind damit frei von jeglicher Beurteilung. Entweder gefällt’s oder eben nicht.
So, jetzt habe ich mich wahrscheinlich um Kopf un Kragen geschrieben, weil ich mich mal wieder unglücklich und nur halbfertig ausgedrückt habe, aber besser wird es in schriftlicher Form einfach nicht.
Auf jeden Fall: Chapeau für den Artikel Elli :)
LG
Huhu Jasmin,
ich denke nicht, dass sich Kristina Deffenbacher bei ihrer Theorie auf Erzählstränge bezieht, in denen die Heldin sich letztendlich mehr oder weniger freiwillig dazu entscheidet, mit dem Helden zusammen zu sein. Sie meint meines Erachtens nach Szenen, in denen der Held wissentlich den Willen der Heldin ignoriert oder sich einfach überhaupt nicht dafür interessiert, was sie möchte. Dieses Umwerben, das du angesprochen hast, kann auch meiner Meinung nach nicht als Vergewaltigung angesehen werden. Aber jede Szene, in der die Heldin gewalttätig in eine sexuelle Situation gezwungen wird, obwohl sie Angst hat oder Widerwillen empfindet, kurz gesagt, nicht ihre Zustimmung gibt, grenzt meist stark an Vergewaltigung. Das kann mit einem Kuss beginnen, aber auch viel weiter gehen.
Darum ist der Fall von Jane Yellowrock nicht ganz leicht zu beurteilen, der meiner Meinung nach den Szenen, die du vermutlich meinst, am nächsten kommt. Sie WOLLTE keinen Sex mit George Dumas haben. Sie hat es sich verboten, weil es ihrer Ansicht nach der vernünftige Weg war. Trotzdem empfindet sie sexuelles Verlangen nach ihm. Als er sich über ihren Willen hinweg setzt und ihr dieses blöde Taschentuch mit Gewalt aufzwingt, was sie ausdrücklich NICHT wollte, ist es dieses Verlangen von beiden Seiten, das die Situation sexuell werden lässt. Natürlich hat sie ihren eigenen Anteil daran. Aber versetze ich mich in sie hinein, wäre ich im Anschluss wohl stinksauer auf George gewesen. Nicht nur, weil er wissentlich meine Entscheidung bezüglich des Taschentuchs (wie oft kann man eigentlich ‚Taschentuch‘ in einem Kommentar schreiben ^^) ignoriert hätte, sondern auch, weil er mich dazu gebracht hätte, mich anders zu verhalten, als ich es für mich selbst entschieden hatte. Jane hätte sich niemals auf George gestürzt, völlig egal, wie stark ihr Verlangen gewesen wäre. Er nimmt sich das Recht heraus, sie so zu behandeln, wie es ihm gefällt und wie er es für richtig hält, unabhängig von dem, was sie möchte. Er setzt sich über sie hinweg; ist der Meinung, er weiß besser als sie, was gut für sie ist. Das erinnert mich persönlich schon stark an die Mechanismen, die eine Vergewaltigung beschreiben.
Wenn Frauen diese Romane lesen und/oder schreiben, weil es ihren sexuellen Fantasien entspricht, ist daran überhaupt nichts auszusetzen, denn es geht nicht darum, jemanden dafür zu kritisieren, dass ihm oder ihr die Geschichten gefallen. Das passiert leider immer wieder, wenn man über Feminismus diskutiert: die Menschen glauben sofort, es sei eine Kritik an ihrem Verhalten oder ihren Vorlieben. Dabei ist das so nicht richtig. Ich möchte niemandem verbieten, diese Romane und Szenen zu schreiben oder zu lesen. Ich lese sie ja selbst gern. :) Es geht nur darum, zu verstehen, welche Prozesse in diesen Szenen ablaufen; was es uns über unsere Gesellschaft verrät. Demzufolge empfinde ich es schon als ernstes Thema, auch in Büchern, denn es geht um mehr als nur die Ausformulierung von Fantasien. Wie ich sagte: die Kunst spiegelt die Realität wider.
Das Thema ist wahnsinnig komplex und kompliziert. Ich könnte mich stundenlang darüber auslassen, warum diese Szenen meiner Meinung nach in der UF gerade von Frauen als erregend empfunden werden und warum wir gesellschaftlich akzeptieren, dass sie in fiktiven Geschichten auftauchen, obwohl wir ein ähnliches Verhalten in der Realität wohl ablehnen würden. Wichtig ist aber eigentlich nur, dass du und auch alle anderen, die diesen Artikel lesen, ihn als Denkanstoß betrachten, nicht als Kritik. :)
Viele liebe Grüße und Danke für deinen Kommentar,
Elli
Hallo Elli,
ein Denkanstoß ist dein Artikel auf jeden Fall. :)
Ich werde auch mal „A Hunger like no other“ und „Fluch des Blutes“ lesen, ich bin neugierig, ob ich Szenen ebenso empfinde. Gerade jetzt, wenn ich auf solche Szenen sensibilisiert bin.
Ich habe gerade „Night School 01″ beendet und mir die Klappentexte der nächsten Bände durchgelesen. Und da bin zum Beispiel am Zweifeln, ob ich die Reihe weiterlesen soll, weil hier offen und für mich wirklich bagatellisiert mit dem Thema umgegangen wird.
Die Situation: Allie wird von ihren Quasi-Freund, dem Schulschwarm fast vergewaltigt – er füllt sie ab und greift sie körperlich an. Ein Dritter verhindert das Schlimmste. Allie schießt ihren Quasi-Freund ab und ist stinksauer. Lehrer oder Polizei werden nicht informiert.
Später entschuldigt sich der Schulschwarm bei Allie und beteuert, dass er sie wirklich liebt. Allie verzeiht ihm, spricht sogar wieder recht normal mit ihm. (Ich würde den Typen eher ein Messer in den Fuß stechen…)
In den Klappentexten der nächsten Bände wird deutlich, dass Allie sich wohl doch wieder besagtem Jungen zuwendet….
Na ja, das ist auf jeden Fall ein Punkt, der mir an der Reihe gar nicht gefällt, obwohl sie sonst echt gut ist. Aber der Typ hat gar keine Konsequenzen gehabt, schwelgt lediglich etwas im Selbstmitleid, weil es ihm so Leid tut. Und Allie reißt dann irgendwann noch lustig gemeinte Sprüche über die Situation á la “ Was ist nur für eine Schule!? Ein Großbrand, ich werde fast vergewaltigt und trotzdem finde ich es total toll hier“.
Na wie gesagt, ich weiß noch nicht, ob ich die Reihe weiterlese.
LG :)
Ein wirklich spannender Artikel! Interessanterweise hatte ich sofort, als ich mit dem Lesen begann, auch das von dir genannte Buch „A Hunger like no other“ im Kopf, weil es mir da auch ganz übel aufgestoßen ist, wie der männliche Held hier mit der Protagonistin umgeht und sie ihn dafür nicht total fertigmacht. Sexuelle Gewalt wird hier wirklich bagatellisiert, was ich überhaupt nicht gutheißen kann. Ein weiteres Beispiel wäre „Die eiserne See – Wilde Sehnsucht“, wo die Protagonistin ganz klar nein sagt und ihn wegstößt, der Mann aber trotzdem weitermacht. Sorry, klarer Fall von Vergewaltigung.
Ich habe manchmal auch den Eindruck, dass sich die Autorinnen nicht wirklich Gedanken darüber machen, wie diese Szenen eigentlich wirken, wenn man sie einmal neutral betrachtet.
Hallo Friedelchen,
da stimme ich dir zu, ich denke auch, dass AutorInnen nicht immer realisieren, wie die Konstruktion ihrer Szenen wirkt. Manchmal glaube ich, da geht ihre Fantasie einfach mit ihnen durch; sie romantisieren Begegnungen, die auch sie selbst in der Realität wohl reichlich beängstigend fänden. Es ist eine Sache, eine Art Vergewaltigungsfantasie mit einem geliebten Partner, dem man vertraut, in einem sicheren Rahmen auszuleben; aber es ist etwas völlig anderes, tatsächlich hilflos zu sein, geschlagen und zu Dingen gezwungen zu werden, die man nicht will.
Das Buch, das du genannt hast, habe ich mir mal bei Goodreads angesehen und in die eine oder andere negativere Rezension hinein gelesen. Ich denke, es ist ein gutes Beispiel für die Prozesse, die Deffenbacher beschreibt, obwohl es ein anderes Genre ist. Danke für den Hinweis. :)
Viele liebe Grüße,
Elli
Hey Elli!
Uff. Ich hab mir deinen Artikel heute mal in zwei Etappen vorgenommen.
Wirklich sehr sehr interessant.
Die ganze Zeit schon überlege ich, ob ich schonmal soetwas bzw. soetwas ähnliches gelesen habe. So bewusst fällt mir jetzt nichts ein. Ich weiß, dass es bei Abercrombie auch mal eine Sex-Szene gab, die zwar sehr grob war (aufgrund der betreffenden Protas), aber wenn ich mich recht erinnere, läuft das da tatsächlich in gegenseitigem Einverständnis…
Dein Artikel bringt mich aber nicht nur als Leserin zum Nachdenken, sondern auch als Autorin. Zwar habe ich noch nie von einer Vergewaltigung geschrieben, aber mir sind ein paar andere Sachen klar geworden. Ich denke imemr viel und gerne darüber nach, warum ich etwas so und nicht anders schreibe. Schon oft ist mir aufgefallen, dass ich selten weibliche Protagonisten auftreten lasse.
Du fragst, warum „Männer [nicht mal] als verständnisvoll, liebevoll, unterstützend und vor allem nicht als aggressiv“ beschrieben werden. Witzigerweise tue ich genau das :D
Ich möchte das meine Charas zeigen, dass auch Männer Gefühle haben dürfen, dass sie auch mal weinen können und deswegen nicht schwach sind. Ich glaube unterbewusst, möchte ich keine Frauen schreiben, da diese viel schneller als schwach abgestempelt werden – Vorurteilen sei dank >.<
Mich würde jetzt brennend deine Meinung zu dem Buch von mir und meiner Freundin intereressieren, aber leider sind wir ja immernoch nicht fertig. Zwar habe ich jetzt wirklich Lust bekommen, weier zu überarbeiten, aber im Ref ist das schwer.
Generell, wie stehst du denn zu männlichen Charas, die auch mal verzweifelt sind, die ein oder andere Träne vergießen und trotzdem nicht aufgeben? ;)
Liebe Grüße
DarkFairy
Huhu :D
Das kann ich voll und ganz verstehen, hätte ich den Text nicht selbst geschrieben, ich hätte ihn wohl auch kaum am Stück lesen können. :D
Die Sexszene bei Abercrombie, die du meinst, ist die zwischen Neunfinger und… wenn ich jetzt noch ihren Namen wüsste… jedenfalls passiert diese Szene in der First-Law-Trilogie, oder? Denn da bin ich wirklich absolut sicher, dass die Initiative von ihr ausging. Neunfinger ist ein brutaler Bastard, aber er hat auch eine recht komplexe Vorstellung von Ehre und von dem, was man tut und was man nicht tut. Vergewaltigung kann ich mir von seiner Seite überhaupt nicht vorstellen.
Ich kann mir vorstellen, dass es tatsächlich einfacher ist, über Männer zu schreiben. Eine starke Frau zu charakterisieren, die dann auch noch lebendig wirkt, nach ihren eigenen Regeln spielt und keinen Funken ihrer Weiblichkeit verliert, stelle ich mir schwierig vor. Besonders in der UF gibt es diese mittlerweile reichlich stereotype Vorstellung der Kriegerin, aber eine Frau muss ja keine Kriegerin sein, um stark zu sein. An Figuren wie Anita Blake sieht man, wie schmal der Grad ist, ab dem eine Frau ZU hart wirkt. Ich mag Anita sehr, aber auch mir ist sie manchmal zu kalt und brutal. Als Antagonistin würde das sicher problemlos funktionieren, aber als Protagonistin… man fragt sich beim Lesen manchmal, ob sie wirklich noch die Gute in der Geschichte ist.
Auf der anderen Seiten stehen dann all die Protagonistinnen, bei denen ich mir irgendwann während des Lesens die Frage stelle „Wie ÜBERLEBST du eigentlich Tag für Tag?“. Schwach, weinerlich, im Selbstmitleid badend und – so leid es mir tut, das sagen zu müssen – manchmal einfach nur strunzdumm. Das kann ich auch nicht leiden.
Also ja, ich kann verstehen, dass du da lieber über Männer schreibst. :)
Prinzipiell habe ich gar nichts gegen männliche Figuren, die auch mal weinen, verzweifeln und ihre verletzliche Seite zeigen. Im Gegenteil, ich finde es sogar gut, weil niemand immer nur stark ist, auch Männer nicht. Aber (ja, natürlich gibt es ein Aber ^^), ähnlich wie bei der Darstellung starker weiblicher Charaktere, kommt es auf das Maß an. Ein Grund, warum ich HdR nicht mochte, war Frodos dauerndes Gejammer und Geheule. Es war mir zu viel. Er ist ein Weichei. Davon möchte ich nicht lesen, weil es mich frustriert. Ich habe mir sehr oft gewünscht, ihn anschreien zu können, um ihm zu sagen, dass er jetzt endlich mit der Jammerei aufhören, sich zusammen reißen und die Ring-Sache endlich hinter sich bringen soll. Und dass er sich mal ein Beispiel an Sam nehmen soll. Das lag allerdings nicht daran, dass er ein Mann ist, denn bei einer Frau hätte mich das ganz genauso gestört. Ich lese einfach lieber von HeldInnen, die wirklich stark sind und Frodo ist es nicht. Ohne Sam hätte er aufgegeben, wäre erstochen, erschlagen, erwürgt und gefressen worden. Das hat mich genervt.
Wenn deine männlichen Charaktere wie Frodo wären, würde ich sie nicht mögen. Aber wenn sie nach einem Moment der Schwäche aufstehen, sich schütteln und dann einfach weitermachen, macht sie mir das sicher sehr sympathisch. :)
Viele liebe Grüße,
Elli
haha! Schöne Beschreibung von Frodo! Ich weiß GANZ GENAU was du meinst. Gandalf hätte einfach Sam den Ring geben und Frodo in seinem Haus bleiben sollen^^
Hallo Elli :)
Ich hab mir jetzt leider nicht alle Kommentare durchgelesen (Schande über mich), weswegen ich auf gut Glück hoffe, dass ich mich nicht wiederhole.
Erst einmal: Toller Beitrag! In letzter Zeit habe ich mich mehr über Feminismus informiert, und darunter fällt ja auch die Bekämpfung von Rape Culture, weshalb ich deine Ansicht zu dieser Sache interessant fand zu lesen.
Ich muss dabei sagen, dass Deffenbachers Theorie gar keine wirkliche Theorie ist, sondern fast schon Fakt ist. Von deinen Beispielen her habe ich nur die Twilight Bücher gelesen, aber an den anderen Beispielen erkennt man, dass das schon fast eine Norm ist, Vergwaltigung zu verharmlosen / zu entschuldigen / zu rechtfertigen. Urban Fantasy ist sicher dabei nicht das einzige Genre, das sich dem annimmt (wobei mir gerade keine Beispiele einfallen). Wir merken das nur meistens nicht, weil Rape Culture schon seit Ewigkeiten besteht und wir sie intertanilisiert haben und uns „verblenden“ lassen, weil Vergewaltigung, wie du in deinen Beispielen darstellst, romantisiert wird bzw. mit Erotik verschleiert wird.
Aus diesen Sachen folgt natürlich, dass der Leser denkt, es sei normal, dass sich die Frau dem Mann unterwirft, etc. Dass man zu den Frauen sagt „die wollte das doch!“ oder „sie hat nicht nein und nicht ja gesagt“. Solche Fälle gibts nicht nur in der Fiktion, sondern auch im echten Leben. Traurig aber wahr.
Quatsch ist das auf jeden Fall nicht. Es ist ein Problem, das schon seit langer Zeit existiert und es fördert Vergewaltigungsmythen immens. Ich bin im UF Genre nicht bewandert, aber ich kann mit Überzeugung sagen, dass jedes Buch, egal welches Genre, auch ohne Männer funktionieren würde. Männer sind nicht essentiell. Natürlich – wenn man auf Romantik oder Erotik legt, könnten Männer eine Rolle spielen, aber nicht unbedingt.
Ich lese zum Beispiel gerade ein Buch, da gibt es Männer als Nebenfiguren, aber sie sind nicht lebenswichtig für den Plot oder die Entwicklung der Protagonistin. Man kann auch tolle Sachen nur mit Frauen schreiben, das befürworte ich sogar. Aber generell mag ich die Bücher am meisten, in denen Gender keine Rolle spielt. Dass Männer und Frauen auf gleicher Ebene sind, und man sie nicht wegen Gender einschränkt oder in einen Stereotyp fallen lässt. Solche Romane gibt’s leider nicht so oft, und Romane, in denen Vergewaltigung passiert, aber nicht als solches angsprochen bzw. gerechtfertigt wird, sind sehr, sehr weit von diesem „Ideal“ entfernt.
Ich hoffe, ich bin nicht zu sehr vom Thema abgekommen – ich freu mich schon auf weitere Beiträge von dir, es hat Spaß gemacht diesen zu lesen. :)
Liebe Grüße,
Sanne
Puh!…Das war harter Tobak! Ich bin froh, dass mich dein Artikel nicht ganz unvorbereitet getroffen hat.
Beim Lesen hat sich mir wieder mal der Gedanke aufgedrängt, dass jeder Roman, egal ob nun Urban Fantasy oder ein anders Genre, immer nur die Realität unserer Lebensumstände widerspiegelt. Der Mensch ist wahrscheinlich so gestrickt, dass er/sie die Welt, in der er/sie aufgewachsen und die ihn/sie geprägt haben, immer im Hinterkopf hat.
Selbst in der Sience-Fiction, wo sich doch theoretisch alle Möglichkeiten bieten, etwas völlig Neues zu kreieren, können sich AutorInnen nicht vom Abbild der real existierenden Welt, die sie umgibt, lösen. (Dabei fällt mir übrigens auf, dass ich noch keinen SF-Roman von einer Autorin gelesen habe.)
Was ich noch anmerken möchte: Vergewaltigung muss nicht zwangsläufig sexueller Natur sein!
Ich bin jedenfalls schon gespannt auf die Weiterführung dieses Themas.
Was mich zudem positiv stimmt, ist die Tatsache, dass sich, wie ich an den Kommentaren zu deinem Beitrag sehe, junge Frauen mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen.
Das lässt mich für die Zukunft hoffen.
Hallo Elli :)
Puh, das war viel Lesestoff :D Ein sehr interessanter Artikel.
Vor Kurzem habe ich erst ein Buch gelesen („Twist Me“ von Anna Zaires), bei dem ich mir gewünscht hätte, dass es sich um Urban Fantasy handelt und der Hauptprotagonist ein Vampir oder Ähnliches ist. Das hätte das Thema für mich nämlich irgendwie abgeschwächt. Klingt zwar blöd, ich empfinde es aber so. Das Buch wurde mir gemeinsam mit ein paar anderen der Autorin von einer Bekannten in ein Tauschpaket gepackt und ich weiß nun gar nicht, ob ich die anderen Bücher überhaupt noch lesen soll. Ich bin irgendwie geschockt.
In dem Buch wird eine 18-jährige Frau, die sogar noch Jungfrau ist, entführt und mehrfach geschlagen und vergewaltigt und sie findet Gefallen daran (auch beim ersten Mal)! Das ist meiner Meinung nach schon harter Tobak. Ich weiß noch gar nicht, ob ich dazu überhaupt eine Rezi schreiben soll. Sicher, es ist „nur“ ein Erotikroman und reine Fiktion. Vermutlich soll es einfach aufzeigen, dass das Stockholmsyndrom möglicherweise weit verbreitet ist und es genug kranke Männer auf dieser Welt gibt, die so etwas ausnutzen? Mir ist es einfach nur negativ aufgefallen. Die Geschichte war ansonsten schon spannend und gut geschrieben, dennoch übertrieben gewalttätig. Wie soll man so etwas im Endeffekt bewerten? Mit der Gewalt habe ich nicht unbedingt Probleme, mit der Vergewaltigung aber ehrlich gesagt schon. Ich bin sicher keine extreme Feministin oder Ähnliches, das Thema wird mir jedoch einfach zu verharmlost dargestellt. Bücher, in denen Charaktere gewaltbereit oder psychisch gestört sind, sind für mich okay, solange das klar ersichtlich ist. BDSM-Romane, in denen alles einvernehmlich geschieht ebenso. Das ist hier aber garantiert nicht der Fall. Die Hauptprotagonistin wird brutal vergewaltigt und irgendwann schläft sie freiwillig mit ihrem Peiniger und lässt sich auch freiwillig schlagen. Das ist sehr gefährliche Literatur, wenn ihr mich fragt. Bei uns zu Hause liegen Bücher nämlich offen herum und jeder darf lesen, was er will. Auch meine fast 16-jährige Tochter. Ich möchte jedoch nicht, dass dieser so ein Frauenbild einsuggeriert wird, wenn sie zufällig dieses Buch entdeckt. Eine erwachsene Person kann damit umgehen und das vielleicht differenziert betrachten. Solche Bücher können Jugendlichen aber auch leicht im Buchladen in die Hände fallen. Es klebt ja keine Warnung darauf oder so. Versteht ihr, was ich meine?
Von den obigen Beispielen kenne ich nicht viele Bücher. Bei „Chicagoland Vampires“ sehe ich das ehrlich gesagt nicht so streng. Vielleicht liegt das daran, dass ich die Bücher wirklich mag. Es ist mir schon aufgefallen, dass Merit gegen ihren Willen verwandelt wurde. Als Vergewaltigung würde ich das aber nicht sehen. Sie wäre gestorben, und soweit ich weiß, konnte sie auch nicht gefragt werden, da sie bewusstlos war. Da bin ich mir jetzt aber nicht ganz sicher (Band 1 ist bei mir schon etwas her).
Bei der „Sookie“ Reihe kann ich mich gar nicht an eine Kennedy erinnern. In welchem Band kommt die denn vor? Ich vermute nach Band 10, weiter bin ich bisher nämlich noch nicht gekommen. Eigentlich wollte ich die Reihe aber sowieso rereaden, bevor ich die letzten Bände lese. Da werde ich dann darauf achten.
„Black Dagger“ ist für mich allerdings wirklich so ein Fall. Nach dem ersten deutschen Hörbuch war die Reihe daher vorerst für mich beendet. Mir wird immer wieder gesagt, dass ich der Reihe eine zweite Chance geben soll, bisher konnte ich mich aber noch nicht dazu durchringen. Der Hauptgrund war hier für mich die Vergewaltigung. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich das ziemlich daneben fand. Vielleicht sehe ich das aber auch zu eng? Das ist wirklich ein schwieriges Thema. Ich denke mir einfach, dass so etwas nicht sein muss. Bei der „Dark One“ Reihe von Katie MacAlister geht es z.B. ebenfalls um Gefährtinnen von Vampiren und da wird soweit ich weiß auch keine dazu gezwungen.
Dein Artikel hat mich auf jeden Fall zum Nachdenken gebracht.
Liebe Grüße :)
Huhu :)
Du hast absolut recht, gerade in Bezug auf das Frauenbild von Jugendlichen sind diese Romane gefährlich, gerade, wenn es explizit um Vergewaltigungen geht. Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst, dass deine Tochter so ein Buch in die Hand bekommt.
Merit war bei der Verwandlung bewusstlos, das ist wahr, doch für mich macht es das nicht besser. Vielleicht bin ich da tatsächlich streng, aber zu meiner eigenen Überraschung macht mir das nichts aus. Ich mag die Reihe auch sehr und werde sie definitiv weiterlesen, selbst wenn die Ausgangssituation meiner Meinung nach eine (doppelte) Vergewaltigung war. Sollte ich sie irgendwann abbrechen, hat das rein inhaltliche Gründe, keine idealistischen. ;)
Wann Kennedy im Sookie-versum auftaucht, weiß ich leider auch nicht mehr. Aber ich erinnere mich sehr genau an sie. Sie arbeitet mit Sookie im Merlotte’s und sieht phänomenal aus, ich glaube, sie hat sogar ein paar Schönheitswettbewerbe gewonnen. Ich erinnere mich dunkel daran, dass der Totschlag passiert ist, weil dieser Mann ihr ebenfalls Gewalt antun wollte oder sie mies behandelt hat. Wie genau das war, müsste ich auch noch einmal nachlesen. Dann saß sie für besagten Totschlag im Gefängnis und niemand wollte ihr Arbeit geben. Niemand außer Sam. :)
Ich habe Black Dagger nie gelesen und hatte es bereits vor dem Artikel von Deffenbacher nicht vor. Doch jetzt ist mein Entschluss natürlich noch einmal gefestigt worden. Ich denke nicht, dass du das zu eng siehst. Du musst ja für dich selbst entscheiden, was du in einem Roman verzeihen kannst und was nicht. Wenn dir diese Vergewaltigung sauer aufgestoßen ist und dein Interesse an der Reihe dadurch erloschen ist, dann ist das eben so. :)
Viele liebe Grüße und Danke für deinen Kommentar,
Elli
Huhu (:
Nachdem ich den Artikel jetzt zwei Mal durchgelesen habe (nicht hintereinander aber an zwei verschiedenen Tagen xD ) muss ich sagen: Hut ab! Toll geschrieben, sehr gut erklärt und wow richtig krasser Stoff :D
Kaum hatte ich das erste Mal angefangen zu lesen sind mir sofort die „Black Dagger“ Bücher in den Sinn gekommen. Auch wenn ich nur den ersten Band gelesen habe, bin ich sicher, dass es auch in den Folgebänden immer und immer wieder zu solchen Situationen kommen wird.
Darüber habe ich mir wirklich keine Gedanken gemacht und das ist eigentlich erschreckend. Was ich noch erschreckender finde ist, dass mir diese Situationen im ersten Band gar nicht aufgefallen sind und ich sie keineswegs als schlimm empfand. Obwohl es eindeutig an Vergewaltigung grenzt oder fast schon eine Vergewaltigung ist. Schließlich hat Beth große Angst vor Wrath und er nimmt sie sich trotzdem. Und ich, die ich mich über solche Szenen in anderen Büchern immer aufrege, bemerke das nicht einmal.
Dein Artikel hat mich wirklich zum nachdenken gebracht und vielleicht auch etwas für solche Szenen sensibilisiert. Ich werde in Zukunft besser darauf achten, auch wenn ich nicht aufhören werde diese Sachen zu lesen :D
Ganz liebe Grüße und ich freue mich schon auf das nächste „Let’s talk about“ (:
Hey Anna,
wie gesagt, auch ich werde nicht aufhören, diese Romane zu lesen. Ich denke allerdings, dass es gut und wichtig ist, dass wir nun Bescheid wissen. Ich kann ja auch etwas kritisieren, dass ich mag. Deswegen mag ich es nicht gleich weniger.
Allerdings habe ich gestern etwas an mir bemerkt, was wohl auch zu diesem Prozess des Verstehens dazu gehört: ich habe bewusst darauf verzichtet, eine äußerst kritische Rezension zu „Hexed“ von Kevin Hearne zu lesen, weil ich Angst hatte, mir die gesamte Reihe zu versauen. Die Rezensentin schrieb, dass das Buch unheimlich sexistisch sei. Ich habe nur die ersten Zeilen gelesen, doch schon das hat mir gereicht. Ich wusste genau, wenn ich weiter lese, kann es passieren, dass ich Atticus nicht mehr leiden kann. Wenn ich selbst irgendwann zu dem gleichen Schluss komme, okay, dann ist das was anderes. Aber ich möchte mich nicht soweit von einer anderen Leserin beeinflussen lassen, dass ich den Spaß an einer Reihe verliere, die mich bisher wahnsinnig gut unterhalten hat. Und an der ich bisher nichts oder nur wenig Sexistisches entdecken konnte. Deswegen möchte ich das hier noch einmal ganz deutlich schreiben: mein Anliegen ist nie gewesen, irgendjemandem ein Buch oder gleich eine ganze Reihe kaputt zu machen und sollte das passiert sein, tut es mir leid. Ich möchte niemandem aufs Butterbrot schmieren, inwiefern UF-AutorInnen grenzwertige Wege in der Konstruktion ihrer Geschichten beschritten haben. Ich möchte nur das Handwerkszeug vermitteln, um es selbst zu erkennen.
Viele liebe Grüße,
Elli
Ja, das habe ich aufjedenfall erkannt! (: Ich finde, dass es dir wunderbar gelungen ist uns aufzuzeigen, was man in solchen UF Romanen entdecken kann und ich denke nicht, dass mir diese Tatsache, dass ich das nun vielleicht besser erkennen kann eine Reihe komplett madig machen würde (:
Liebe Grüße! (:
[…] talk about Gender in der Urban Fantasy. Vor genau einer Woche habe ich dort den Artikel “Sie wollte es, er konnte nicht anders – Vergewaltigungsmythen” gelesen und gleich darauf entschieden, ihn euch hier vorstellen zu wollen – Elli ist […]
Hallo Elli :)
ein wirklich klasse Beitrag, gut und verständlich geschrieben!
Das Thema hab ich erst vor kurzem mit einer Freundin beim Kaffe besprochen. Deffenbacher kann ich nur voll zustimmen (auch schon vor deinem Beitrag). Sie hat es auf den Punkt gebracht. Leider ist diese rape culture bei uns sehr verbreitet und immernoch den meisten gar nicht bewusst. Es wird als normal empfunden und auch noch verharmlost.
Man merkt daran aber auch dass die Menschen selbst in Fantasygeschichten, in denen ja eigentlich alles passieren kann, lieber das lesen was sie mehr oder weniger schon gewohnt sind.
Erstaunlich ist es trotzdem dass es wirklich so verbreitet in Büchern ist, das war mir vor der Diskussion mit meiner Freundin nicht ganz so bewusst!
Ich finde das Thema auch vor allem in Jugendbüchern sehr gefährlich, da es wirklich ein sehr falsches Bild übermitteln kann!
Damit aufhören UF zu lesen werde ich nicht, wahrscheinlich werde ich alles etwas kritischer sehen aber das finde ich auch gut!
Liebe Grüße
Heey,
also erst mal: Ich bitte jetzt um Applaus, dass ich den Beitrag an einem Stück gelesen habe!
Während dem Lesen hab ich schon die ganze Zeit darüber nachgedacht, ob mir so eine Szene bekannt vorkommt. Spontan sind mir diverse Mangas eingefallen… Sonst hab ich da beim Lesen nie so drüber nachgedacht, wobei ich bei Highschool Girls, in der Tat recht direkt an eine Vergewaltigung gedacht habe.
Desweiteren hatte ich beim Lesen die Befürchtung, dass in meinen Geschichten auch schon mal eine Vergewaltigung vorgekommen sein könnte… Und ähm… hm.. Leider ist es mir in der Tat schon mal passiert. Erst dachte ich mir halt, dass ich es einem meiner männlichen Charaktere durchaus zutrauen würde meine Protagonistin zu vergewaltigen, jedoch würde die sich zur Wehr setzen. Dann ist mir leider aufgefallen, dass meine Protagonistin von ihrer jetzigen Partnerin in gewisser Weise vergewaltigt wurde. Dh sie hat nie gesagt, dass sie es nicht wolle, aber hat auch nicht zugestimmt. Es ist einfach so passiert D:
Und dann kam der Klassiker, sie läuft weg, versteckt sich und stellt nachher fest, dass sie sich in die andere verliebt hat. Aber da es beides Frauen waren, war es immerhin nicht dieses Gender-Klischee, aber irgendwie macht es das grade nicht sonderlich besser.
Dann in einer Kurzgeschichte kam auch eine fast Vergewaltigung vor. Es geht in der Geschichte um Prostituierte und zwei von ihnen werden auf der Straße von Kunden erkannt, die sie dann ein wenig bedrängen, die beiden Mädchen ergreifen jedoch die Flucht.
Alles in allem fühl ich mich grade ein bisschen schlecht, weil das nie geplant war. Um ehrlich zu sein hab ich auch nie darüber nachgedacht, dass bei der zuerst genannten Geschichte das ganze nach einer Vergewaltigung aussehen könnte, aber eigentlich tut es das dann doch. Ich bin schockiert D:
Dennoch guter Beitrag, war wirklich interessant zu lesen und vor allem ist diese Feststellung zu meinem Text.. Ich weiß noch nicht so recht wie ich damit klar komme .__.
Liebe Grüße
Hey,
es war nicht meine Absicht, dass du dich schlecht fühlst und ich denke auch nicht, dass du das musst. Die Frage ist doch weniger, ob du Vergewaltigungen in deinen Geschichten verarbeitest, sondern eher, was für ein Frauenbild du dadurch vermittelst. Wenn es eines ist, mit dem du dich gut identifizieren kannst, eines, das du genauso vermitteln wolltest, oder eines, das eben genau dem Charakter deiner Figur entspricht – dann ist es auch genau richtig so.
Natürlich ist es wichtig, dass AutorInnen ihre Arbeit kritisch reflektieren. Ich denke, in einem Schreibprozess ist die Frage „Wieso habe ich das so und so geschrieben und nicht anders? Was möchte ich damit erreichen?“ durchaus sehr wichtig. Aber über-analysieren sollte man das Ganze dann auch wieder nicht.
Mach dir also nicht zu viele Gedanken, das Schreiben soll dir ja weiterhin Spaß machen. ;)
Viele liebe Grüße und Danke für deinen Kommentar,
Elli
Naja ich hab auch nie angenommen, dass du das wolltest.
Und wenn ich so darüber nachdenke kann ich mich eigentlich ganz gut mit meinen Charakteren identifizieren.
Zum einen passte es in die Situation und zum anderen weiß ich auch, dass die „Vergewaltigerin“ ein Nein akzeptiert hätte, wenn eines gekommen wäre.
Und bei der fast Vergewaltigung war das ganze auch geplant. Nur halt bei meiner Hauptgeschichte nicht so richtig.
Jetzt grade denk ich mir, dass ich vielleicht mit der Erkenntnis etwas überreagiert habe. Mir ist jetzt durchaus bewusst, dass die Szene als Vergewaltigung angesehen werden kann, aber wenn ich mich in meine Charaktere hineinversetze weiß ich, dass es dramatischer klingt als es war. (Hip Hip Hurray ich weiß nicht wie ich es besser ausdrücken soll xD)
Den Spaß werd ich mir nicht nehmen lassen, nur weil eine meiner Figuren jetzt eine Vergewaltigung im Lebenslauf aufweist. Ich denke ich werd es jetzt relativ locker sehen, immerhin weiß ich ja wie es dazu kam und so :p
[…] Fantasy kann man auf dem Wortmagieblog schon einige interessante Artikel lesen, nämlich hier und hier. Auch ich habe vor, mich Romantasy-Beziehungen in der nächsten Zeit mal zu widmen – wohl […]
Hat dies auf Marmor und Ton – Autoren schreiben mit MUT rebloggt und kommentierte:
Ein wichtiger und hervorragende geschriebener Beitrag, der nicht nur LeserInnen, sondern auch AutorInnen zu denken geben sollte, damit sie weder bewusst noch unbewusst den gleichen Mythen anheimfallen wie Generationen vor ihnen.
Noch immer wird sexuelle Gewalt schöngeredet, und es hat einen Grund, warum ich manche AutorInnen urbaner Fantasy strikt meide – ich finde es nicht erotisch, wenn eine Frau zu Sex zwangsüberredet oder gar mit körperlicher Überlegenheit dazu gebracht wird und es mit „Bestimmung“ erklärt wird. Das gleiche gilt, wenn es einen Mann trifft, nur ist diese Konstellation seltener zu finden.
Hat dies auf Carmilla DeWinter rebloggt und kommentierte:
Via Jery Schober kommt diese ultralange Abhandlung über Dinge, die ich schon vermutet habe, aber wie immer: Erst wenn was ausformuliert ist, kann eins dessen gesamte Schrecklichkeit überblicken.
Ich weiß, warum ich Paranormal Romance und „Seelenverwandtschaften“ nicht abkann, und Alpha/Omega-Dynamiken in Fanfictions nur mit seehr langen Fingern anfasse. Eins ersetze jedes beliebige magische Band/Vorbestimmung mit „Testosteron“ oder allgemein „Hormonen“, und verstehe, was ich meine.
Um zu zitieren: „Niemand verbietet ihnen [den Autor*innen], die Gender Rollen zum Beispiel einmal komplett umzudrehen, eine vollständig matriarchalische Gesellschaft zu konstruieren und Männer als verständnisvoll, liebevoll, unterstützend und vor allem nicht als aggressiv zu beschreiben. (…) Aber sie tun es nicht. Stattdessen vermitteln sie das, was ihnen selbst und ihren LeserInnen bekannt ist: eine Welt, in der Gewalt gegen Frauen zum Alltag dazu gehört.“
Mal wieder der Beweis, dass es einfacher ist, Hybridwesen zu erfinden, statt außerhalb der gesellschaftlichen Normen zu denken.
Es gäbe noch mehr zu diversen Zitaten zu ergänzen, aber das führt zu weit …
Ganz anderes Genre, aber mich hat in „Narziss und Goldmund“ von Hermann Hesse immer gewundert, dass alle Mädels, die Goldmund so trifft, sofort auf ihn abfahren und mit ihm ins Bett (in die Scheune, hinter den nächsten Busch) wollen, ohne dass er da lange fragen muss. Soweit ich mich erinnere, kriegt er nur eine nicht rum und die steht sozial deutlich über ihm.
Was für ein monumentaler Artikel – in Umfang und Inhalt. Er hat mich sogar schon für mein eigenes Schreiben sensibilisiert. Ich habe zuletzt an einem Kapitel gearbeitet (nicht Urban Fantasy, sondern eher Richtung allgemeine Fantasy), in dem es zwei sexuell „fragwürdige“ Situationen gibt. Die agierenden Personen sind zwei Antagonisten und eine Randfigur, und dein Artikel zeigt mir noch einmal, wie wichtig es ist, das Thema nicht zu verharmlosen oder gar zu romantisieren, sondern psychologisch glaubwürdige Folgen aufzuzeigen, selbst wenn (oder gerade weil?) es in meinem Falle keine klassischen Vergewaltigungen sind. Auf die Konsequenzen werde ich in dem, was folgt, jedenfalls noch mehr achten, auch wenn die Antagonisten aufgrund ihrer Rolle ohnehin schon keine Sympathie erfahren sollten.
Du hast Recht, wenn du schreibst, dass Vampirbisse erotische Konnotationen haben. Schauerromane kamen ja erstmals in großem Umfang im 19. Jahrhundert in die Buchläden (auch wenn das Vampirkonzept schon älter ist), und ich habe mal irgendwo gelesen, dass die erotischen Untertöne der Vampirbisse eine Metapher im prüden, viktorianischen Zeitalter dargestellt hätten. Wahrscheinlich ist das jetzt nicht differenziert genug, aber da mag doch mehr als ein Körnchen Wahrheit drinstecken.
[…] zu sein. Falls euch die Thematik ebenfalls interessiert, schaut doch mal hier vorbei: ‘Sie wollte, er konnte nicht anders – Vergewaltigungsmythen in der Urban Fantasy‘. Deswegen steige ich auf von Männern geschriebene Urban Fantasy um. Häufig genug spielt […]
Hi Elli,
starker Artikel und sehr interessant. Ich kann nicht wirklich etwas zum Thema beitragen, da sich mir der Reiz dieses Genres eh entzieht. Vergewaltigung hin oder her. Die Theorie klingt jedenfalls schlüssig.
Die Situation mit Atticus und der Morrigan ist aber ein bisschen anders gelagert. Nicht weil Atticus ein Mann ist. Das ändert eigentlich nichts. Auch Frauen können Männer vergewaltigen; vor allem wenn man nicht nur physische Gewalt, sondern auch Abhängigkeit betrachtet. Ein Vergewaltigung ist es auf jeden Fall. Aber es ist eine „normalere“ Vergewaltigung und keine aus der eine Liebesbeziehug resultiert, was in meinen Augen doppelt krank ist.
LG,
André
Hey André,
vielen Dank für deine Gedanken zum Thema Atticus und die Morrigan. :) Wie ich bereits schrieb, ich war auch felsenfest überzeugt, dass es eine Vergewaltigung ist, obwohl die Genderdynamik eben anders gelagert ist.
Viele liebe Grüße,
Elli