Eigentlich bin ich für unser nächstes „Let’s talk about…“ einen Tag zu spät dran, normalerweise ist Mittwoch unser Diskussionstag. Aber ich dachte mir, dass es im Grunde keine Rolle spielt. :D
Heute geht es wie angekündigt noch einmal um eine deutsche Bestenliste: die des ZDF. Unter dem Motto „Das Große Lesen“ (Hmm, hat da jemand bei der BBC geschmult?) befragte das ZDF etwa 250.000 deutschsprachige LeserInnen und ließ sie aus einer vorher konzipierten Zusammenstellung von 200 Büchern ihre 100 „Bestseller“ auswählen. Die Aktion wurde von 20.000 Buchgeschäften und Bibliotheken beworben. Zustande kam dabei eine Liste der 100 beliebtesten Bücher deutschsprachiger LeserInnen.
Wie ihr euch mittlerweile sicher denken könnt, finde ich dieses Auswahlverfahren am geeignetsten. Jetzt lasst uns erst einmal einen Blick auf die Auswahl werfen, bevor ich wie üblich noch ein bisschen darüber schwadroniere. ;)
Die Legende findet ihr hier:
Top 100 Bücher der ZDF-Aktion „Das Große Lesen“
Vielen Dank an „Die besten Bücher der Welt“!
Wie ihr sehen könnt, ist diese Liste diejenige, die die meisten „schon gelesen“-Bücher für mich enthält. Vor dem Hintergrund, dass hier nicht die besten, sondern die beliebtesten Bücher zusammen gefasst sind, finde ich die Auswahl okay. Vermutlich ist das auch das höchste der Gefühle bezüglich Bestenlisten, denn es gibt wohl keine einzige, die ich nicht noch verändern würde. ;) Aber diese hier ist doch sehr ausgewogen; ich kann mir vorstellen, dass das Durchschnitts-Bücherregal der Deutschen tatsächlich so aussieht.
Statt also heute wieder einmal herum zu mäkeln, was mir fehlt und wo ich Kritikpunkte sehe, möchte ich euch erklären, warum ich zwei der Bücher auf dieser Liste niemals lesen möchte.
Erstens, Günter Grass‘ „Die Blechtrommel“. Im Falle dieses Buches muss ich auf ein Thema verweisen, das wir schon vor einiger Zeit besprochen haben: das Thema Vorurteile und wie sie mein Leseverhalten beeinflussen. 2006 machte Günter Grass publik, dass er im Alter von 17 Jahren der Waffen-SS angehörte. Das ist der Grund, warum ich dieses Buch niemals lesen möchte und warum es sicherlich auch keinen Sinn hätte. Zwar hat Grass laut eigener Aussage niemals auch nur einen Schuss abgegeben und war nicht in Kriegsverbrechen verwickelt, aber bei mir löste diese Offenbarung (die durchaus mutig war, ich bin in der Lage, das anzuerkennen), einen unvergleichlichen Abscheu aus. Man kann nun argumentieren, dass der Schriftsteller zu dieser Zeit vermutlich einfach nur jung und dumm war und überhaupt nicht begriff, zu welcher Einheit er gehörte. Aber für mich ist es… ich möchte meine Gedankenwelt, meine Fantasie, meinen Geist einfach niemandem anvertrauen, der aktiv im Regime der Nazis involviert war. Ich kann nicht verzeihen und erst recht nicht vergessen. Vielleicht ist das kleinlich und unfair, aber ich bin überzeugt, dass meine Abneigung so dominant ist, dass sie sich massiv auf mein Verständnis von „Die Blechtrommel“ auswirken würde. Selbst wenn ich Grass eine Chance geben würde, ich glaube einfach nicht, dass mir das Buch gefallen könnte, weil ich eben nicht vergessen kann. Ich hätte seine Vergangenheit immer im Kopf.
Zweitens „Die weiße Massai“ von Corinne Hofmann. Hier weiß ich eigentlich noch nicht sicher, ob ich dieses Buch wirklich niemals lesen werde. Aber die Chancen stehen schlecht. Erinnert ihr euch, dass ich zum Geburtstag „Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus“ von Noah Sow bekommen habe? Hier für euch der Klappentext von amazon:
„Noah Sow deckt rassistisches Verhalten im deutschen Alltag auf.
In der Schule lernen wir, dass alle Menschen gleich seien. Dennoch leben wir mit konkreten Vorstellungen und Vorurteilen im Kopf. An vielen Beispielen verdeutlicht Noah Sow den Alltagsrassismus, der uns täglich begegnet. So erfährt der Leser etwa, wie selbst die UNICEF-Werbung sich rassistischer Klischees bedient, und warum es schlimmer ist, „Die weiße Massai“ zu Ende zu lesen als nicht zur Lichterkette zu gehen.
Rassismus zu bekämpfen heißt, ihn zunächst zu verstehen. Dieser Prozess wird für Angehörige der Mehrheitsgesellschaft nicht immer schmerzfrei vonstatten gehen können. Aber wie nicht zuletzt Noah Sows Buch deutlich macht – lohnen wird es sich allemal, und zwar für alle.“
Tja, da seht ihr es. Noah Sow wird mir erklären, warum bzw. inwiefern „Die weiße Massai“ rassistische Züge hat. Wie wahrscheinlich ist es schon, dass ich das Buch danach noch lesen möchte? Ich meine, ich halte es mir natürlich offen, denn es kann genauso gut sein, dass ich „Deutschland Schwarz Weiß“ grauenvoll finde. Aber eigentlich kenne ich mich zu gut, um tatsächlich damit zu rechnen, dass ich „Die weiße Massai“ auf meine Wunschliste setze. Erst einmal sensibilisiert, schätze ich, dass ich Corinne Hofmanns Buch nur schwer ertragen könnte. Allerdings bereitet mir das kein Kopfzerbrechen, weil ich nicht glaube, dass ich wirklich etwas verpasse.
Wie empfindet ihr die Bestenliste des ZDF?
Findet ihr sie ebenfalls so ausgewogen wie ich? Ich habe wie auch sonst ein paar Diskussionsfragen für euch, an denen ihr euch orientieren könnt:
- Welche dieser Bücher habt ihr bereits gelesen?
- Welche dieser Bücher möchtet ihr noch lesen?
- Welche dieser Bücher würdet ihr niemals auch nur mit der Kneifzange anfassen?
- Findet ihr, dass alle diese Bücher ihren Platz in der Bestenliste zu Recht haben?
- Spiegelt diese Bestenliste auch euer Bücherregal in etwa wider?
Ich freue mich wieder sehr auf eure Meinungen, es ist immer wieder schön zu sehen, wie ihr über diese Bestenlisten denkt. :) Und jetzt:
Let’s talk about… die Bestenliste des ZDF!
Warum wurde das so eingeschränkt? Wenn die Leser nur aus 200 Büchern 100 Bücher auswählen durften, dann konnte keine grosse Überraschung herauskommen. Das ist viel Aufwand, um alle zu befragen, warum den Leuten nicht viel mehr Auswahl geben? Oder sogar frei Bücher hinzufügen lassen?
Liebe Grüsse
Lara
Tja, beantworten kann ich dir deine Fragen natürlich auch nicht. Das können nur die ZDF-Redaktuere. ;)
Aber prinzipiell halte ich eine Vorauswahl für gut. Ich sagte es ja schon bei der Bestenliste von „Le Monde“, ich glaube, das macht es den Menschen leichter, eine Entscheidung über die 100 besten Bücher ihres Lebens zu trefffen.
Liebe Grüße,
Elli
Tatsächlich ist diese Liste wohl die bisher beste. So richtig perfekt ist sie immer noch nicht, aber das wird sie auch niemals sein, da jeder andere Lieblingsbücher hat, die er für die besten hält.
Mir gefällt es auch sehr gut, dass hier „Trivialliteratur“ und „Klassiker“ gleichermaßen vorkommen. Und auch eine Vorauswahl war sinnvoll, denn sonst erhält man nachher eine Liste mit hundert Büchern, wo von 10 mehrfach genannt wurden und die anderen 90 ausgelost werden mussten, weil siehe oben ;)
Ich selber habe vvon dieser Liste glaube ich auch die meisten gelesen (im Vergleich mit den anderen Bestenlisten). Allerdings sind auch hier wieder Bücher die ich nicht lesen würde, wenn es nicht sein müsste.
Ich hab so das Gefühl, mein Lesegeschmack entspricht nicht dem der Leser-Allgemeinheit, egal nach welcher Liste ich gehe :D Wobei es hier tatsächlich schon besser aussieht. Fast alle Bücher kommen mir zumindest vom Namen her bekannt vor und nach dem ersten schnellen Durchsehen glaube ich, bei 26 Büchern sagen zu können, dass ich sie gelesen habe. Andere von der Liste habe ich angefangen, aber nur teilweise oder nur bis zur Hälfte oder so mal gelesen – vielleicht nochmal 7 oder 8 mehr. Trotzdem schlechte Ausbeute.
Völlig „geflasht“ bin ich von der Tatsache, dass gleich 4 (!!!) Bücher von John Irving dabei sind – ich LIEBE John Irving!! Und scheinbar geht´s da nicht nur mir so.
Die Harry Potter Bücher hätte man wohl auch zu 1 Buch zusammenfassen können, denn seien wir mal ehrlich: wer den Teil 1 und auch noch Teil 2 gelesen hat, der wird wohl auch komplett die ganze Reihe lesen, oder was? Ich kenne zumindest gerade niemanden, der nach Teil 1 aufgehört hat.
Und so wie ich das gerade schnell gesehen habe (hoffe, ich liege nicht falsch, falls ja, berichtigt mich), ist z.B. Shakespeare hier aber auch nicht dabei. „Romeo und Julia“ wären für mich nun ein Muss in so einer Liste…
Schließe mich meinen Vorrednern an: bei dieser Liste konnte ich die meisten Übereinstimmungen feststellen.
Trotzdem muss ich zu meinem eigenen Erstaunen zugeben, dass sage und schreibe 20 Bücher dabei sind, die mir überhaupt nichts sagen – weder vom Titel noch vom AutorIn her.
Natürlich habe ich auch welche gefunden, die ich nie lesen würde, wie z.B. Rosamunde Pilcher. Die Art Bücher, die sie schreibt, ist einfach nichts für mich…
Insgesamt ist es schon eine recht illustre Mischung – aber das Leseverhalten der Deutschen ist ja auch sehr widersprüchlich. Man braucht sich nur mal die deutschen Bestsellerlisten anzusehen!
Die getroffene Vorauswahl täuscht meiner Meinung nach darüber hinweg, dass in unserem Lande viel mehr Zeugs gelesen wird, das wirklich kein Mensch braucht. Beim Betreten jeden Buchladens „lacht“ es einen ja gleich im Eingangsbereich an…
[…] Magazine, die Top 100 der ZEIT, die Top 100 von Le Monde, “The Big Read” der BBC und “Das Große Lesen” des ZDF. Mir ging es darum, euch zu zeigen, welche Bücher in unterschiedlichen Ländern unter […]